Vertragsfreiheit vs. Begünstigungsverbot – Aufhebungsverträge mit Betriebsratsmitgliedern

Die einvernehmliche Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses - häufig auch gegen Zahlung einer Abfindung - ist in Deutschland gängige Praxis und häufig dem allgemeinen Kündigungsschutz geschuldet. Bei der einvernehmlichen Aufhebung der Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern sind die mit dem Mandatsverhältnis einhergehenden Besonderheiten zu beachten. Problematisch ist hier auch das gesetzliche Verbot der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern, welches vielfach so verstanden wird, dass die Konditionen einer Aufhebungsvereinbarung nicht exorbitant von denen eines "normalen" Arbeitnehmers abweichen dürfen. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr in einer neuen Entscheidung für mehr Klarheit gesorgt.

Besonderheiten bei Betriebsratsmitgliedern

Betriebsratsmitglieder sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 103 BetrVG in doppelter Hinsicht gegenüber normalen Arbeitnehmern vor Kündigungen geschützt. So ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. § 103 BetrVG verlangt zudem, dass das Gremium der Kündigung zustimmt. Wird die Zustimmung nicht erteilt, muss der Arbeitgeber diese zunächst gerichtlich ersetzen lassen, bevor er die Kündigung letztlich aussprechen kann. Diese Schutzvorschriften führen häufig dazu, dass die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds erst mit ganz erheblicher Verzögerung ausgebracht werden kann.

Für den Arbeitgeber bedeutet das, dass er während des Zustimmungsersetzungsverfahrens das Gehalt weiterhin an das betroffene Betriebsratsmitglied zahlen muss. Zudem muss er neben den eigenen Rechtsverfolgungskosten auch die Verfahrenskosten des Betriebsrats tragen. Der Arbeitgeber ist somit in erheblichem Maße finanziell belastet. Diese finanzielle Last wird bei einer einvernehmlichen Beendigungsabrede mit Betriebsratsmitgliedern "eingepreist". Auf diese Weise kommt es häufig zu signifikant verlängerten Kündigungsfristen und Abfindungszahlungen, die weit über der so genannten Regelabfindung liegen.

Begünstigungsverbot

Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder weder benachteiligt noch begünstigt werden. Hierdurch soll die Unabhängigkeit der Amtsausübung der Betriebsratsmitglieder und insbesondere die furchtfreie Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen sichergestellt werden. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot stellt nicht nur eine Straftat dar, sondern hat auch zur Folge, dass eine verbotswidrig geschlossene Vereinbarung nichtig ist.

In Rechtsprechung und Literatur wurde lange Zeit diskutiert, ob die Berücksichtigung der vorstehend geschilderten Besonderheiten bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsratsmitglied, also insbesondere die auf diese Weise erhöhten Abfindungen und verlängerten Kündigungsfristen, eine solche verbotene Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern darstellt.

Vorrang der Vertragsfreiheit

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer neuerlichen Entscheidung aus März 2018 (Urteil vom 21.03.2018 - 7 AZR 590/16) nunmehr nochmals deutlich gemacht, dass das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf Aufhebungsvereinbarungen grundsätzlich nicht einschränkt. Es sei regemäßig angemessen, die kündigungsrechtlichen Risiken im Rahmen derartiger Aufhebungsvereinbarungen zu kompensieren. Auch Sinn und Zweck des Begünstigungsverbotes des § 78 Satz 2 BetrVG machten es nicht erforderlich, die Vertragsfreiheit der Parteien durch eine Überprüfung der Angemessenheit der jeweiligen Aufhebungsbedingungen einzuschränken, denn aufgrund der Beendigung sei die künftige Unabhängigkeit in der Amtsführung gerade nicht mehr gefährdet.

Fazit

Auch bei der einvernehmlichen Aufhebung von Arbeitsverhältnissen mit Betriebsratsmitgliedern sind die Vertragsparteien frei in der Gestaltung der Konditionen. Sie dürfen insbesondere die gegenüber der Beendigung "normaler" Arbeitsverhältnisse erhöhten finanziellen Belastungen und Risiken einpreisen. Es besteht also kein Grund zur Sorge, dass sich ein bereits abgefundenes Betriebsratsmitglied unter Berufung auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags in das Arbeitsverhältnis zurückklagt.

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