Vorrang der Leistungsklage – ein Lehrstück des BGH in drei Akten

Eine Leistungsklage hat Vorrang vor einer Feststellungklage. So lautet ein eherner Grundsatz im deutschen Prozessrecht. Leitgedanke ist hierbei, dass der Kläger mit der Leistungsklage sein Rechtsschutzziel effektiver erreichen kann als mit einer bloßen Feststellungsklage. Der BGH hatte in der Vergangenheit in zahlreichen Verfahren, in denen es um den Widerruf von Darlehensverträgen ging, Anlass, den Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage zu betonen.

1. Erster Akt: Bereinigung von Meinungsverschiedenheiten gesichert?

Um sich die Mühe von umfangreichen Berechnungen zu ersparen, haben sich Darlehensnehmer in den Klageschriften häufig mit dem Antrag auf Feststellung begnügt, dass sich der Darlehensvertrag mit dem Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe. In einem Urteil vom 24.01.2017 (Az.: XI ZR 183/15) hat der BGH betont, dass in diesen Fällen grundsätzlich die Leistungsklage vorrangig, die Feststellungsklage dann unzulässig ist. Dass nach einer Saldierung der wechselseitigen Ansprüche sich kein Überschuss für den Darlehensnehmer ergibt, stehe dem nicht entgegen, da der Widerruf nicht zu einer automatischen Verrechnung führt. Der Darlehensnehmer könne die von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen beziffern und sie zum Gegenstand des Leistungsantrags machen. Ausnahmsweise lässt der BGH eine Feststellungklage dann zu, wenn gesichert ist, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt. Dies ist jedoch nur selten der Fall, da zwischen den Parteien zumeist auch die Höhe von Rückgewähransprüchen im Streit stehen.

2. Zweiter Akt: Keine Leistungsklage nach erfolgter Aufrechnung

Dem Darlehensnehmer geht es wirtschaftlich nicht darum, erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen von der Bank zurückzuerlangen. Denn diesen Ansprüchen stehen Ansprüche der Bank auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Wertersatz gegenüber. Wenngleich diese Ansprüche nicht automatisch miteinander verrechnet werden, kann der Darlehensnehmer insoweit die Aufrechnung erklären. In einem Urteil vom 21.02.2017 (Az.: XI ZR 467/158) hat der BGH daher angedeutet, dass für eine Feststellungsklage immer dann Raum ist, wenn der Darlehensnehmer die Aufrechnung erklärt hat.

3. Dritter Akt: Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage

Einiger Beliebtheit erfreute sich lange Zeit eine bezifferte Feststellungsklage des Inhalts, dass der Bank nach einem Widerruf keine höhere Forderung ein Betrag X zustand. Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 16.05.2017, Az.: XI ZR 586/15) ist ein so formulierter Antrag zwar unzulässig, da sich die Bank, wenn sie die Wirksamkeit des Widerrufs bestreitet, sich keines Anspruchs aus einem Rückgewährschuldverhältnis berühmt. Der Antrag könne auf die Feststellung gerichtet ausgelegt werden, dass der Bank nach Widerruf kein Anspruch auf den Vertragszins und vertragsgemäße Tilgung zusteht. Eine solche negative Feststellungsklage ist nach Ansicht des BGH stets zulässig. Denn dies sei etwas vollkommen anderes als ein positiver Feststellungantrag gerichtet darauf, dass sich der Darlehensvertrag mit dem Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe.

4. Fazit

Dem BGH ist darin zuzustimmen, wenn er den Vorrang der Leistungsklage betont. Allerdings verbleiben für den Verbraucher diverse Möglichkeiten, den bequemen Weg einer Feststellungsklage zu gehen. Ob ihm damit sehr geholfen ist, ist allerdings zweifelhaft, solange im Rechtsstreit im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs nicht die Höhe etwaiger Rückgewähransprüche geklärt wird.

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