Vorsicht bei der Probefahrt

Täglich stellen Autohäuser ihre PKW für Probefahrten zur Verfügung. Aber was tun betroffene Autohäuser, wenn der Kaufinteressent mit dem PKW verschwindet und diesen weiterverkauft? Der BGH hat dazu entschieden, dass die Überlassung eines PKW zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer einen freiwilligen Besitzverlust darstellt. Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall nicht zurückgegeben, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor, sodass der gutgläubige Erwerb eines Dritten möglich ist.

Was ist passiert?

Ende August 2017 kam ein Kaufinteressent zu einem Autohaus. Es wurde eine einstündige Probefahrt vereinbart. Dem Interessenten wurde für die unbegleitete Probefahrt ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das diesbezügliche Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Die Person kehrte mit dem PKW nicht mehr zurück. Die vorgelegten Ausweise stellten sich später als Fälschungen heraus. Auch die angegebene Handynummer des Interessenten verlief ins Leere.

Kurze Zeit später wurde der PKW im Internet zum Verkauf angeboten. Der Verkäufer legte die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vor, die auf seine angeblichen Personalien ausgestellt waren und die die Fahrzeugidentifikationsnummer des Fahrzeugs auswiesen. Die Bescheinigungen waren auf Originalvordrucken, die aus einer Zulassungsstelle gestohlen worden waren, angefertigt. Als der Käufer den PKW zulassen wollte, fiel der zuständigen Behörde auf, dass der PKW gestohlen gemeldet war.

Das klagende Autohaus verlangte Herausgabe des PKW vom Käufer.

Rechtliche Auffassung des BGH

Das Autohaus kann den PKW nicht herausverlangen. Der BGH nahm einen gutgläubigen Erwerb des Käufers an. Insbesondere liege kein Abhandenkommen des PKW vor. Ein Abhandenkommen könne vielmehr nur dann angenommen werden, wenn der unmittelbare Besitzer (Autohaus) den Besitz unfreiwillig verliere. Die Herausgabe des PKW an einen Interessenten zu einer Probefahrt erfolgt jedoch freiwillig und zwar auch dann, wenn der Interessent über seine wahren Absichten täuscht. Bei einer nicht überwachten Probefahrt liege auch keine bloße Besitzlockerung vor, da sich der Interessent aus dem Zugriffsbereich des Autohauses vollständig entferne. Dementsprechend werde der Besitz vollständig auf den Interessenten übertragen.

Fazit

Bei Herausgabe eines PKW an Kaufinteressenten gilt für gewerbliche Händler aber auch Privatpersonen Vorsicht. Wird der PKW wie im vorliegenden Fall freiwillig herausgegeben, steht der Eigentümer schutzlos einem gutgläubigen Erwerb gegenüber. Wie der Fall zu bewerten wäre, wenn eine Überwachung der Probefahrt stattgefunden hätte und wie diese Überwachung ausgestaltet sein müsste, um ein Abhandenkommen zu bejahen, lässt der BGH allerdings offen. Denkbar erscheinen hier neben einer Begleitperson auch technische Möglichkeiten der Überwachung. Dies dürfte aber mit erheblichen Mehrkosten für gewerbliche Verkäufer einhergehen.

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