Vorsicht, wenn sich bei einem Zusammenschluss der Wettbewerber freut!

Das Bundeskartellamt hat sich in einem interessanten Fallbericht zu den Umständen und Auswirkungen geäußert, die bei der Prüfung der wettbewerblichen Auswirkungen eines geplanten Zusammenschlusses herangezogen werden können.

Hintergrund

Gemäß § 36 Abs. 1 GWB ist ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, vom Bundeskartellamt zu untersagen. Intuitiv prüft der Rechtsanwender zunächst, ob die Marktstellung der Zusammenschlussbeteiligten verstärkt wird, insbesondere, ob ihre Marktanteile sich vergrößern. Nicht eindeutig geklärt war hingegen bislang, ob auch die Entstehung oder Verstärkung einer Marktbeherrschung eines nicht beteiligtes Unternehmen (sog. third party dominance) Anlass für eine Untersagung des Zusammenschlusses geben kann. Das Kartellamt hat insofern nun einen Hinweis geliefert.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um den Zusammenschluss zweier Anbieter von Systemen und Lösungen für professionellen Mobilfunk. Das Zielunternehmen im Rahmen dieses Zusammenschluss war eines von nur zwei Unternehmen, deren Endgeräte über eine Zertifizierung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben verfügten (sog. BOS-Zertifikat), sodass sie für den Digitalfunk BOS verwendet werden können.

Das Bundeskartellamt erwartete, dass das Zielunternehmen, dessen neue Konzernmutter in China ansässig ist, keine BOS-Zertifizierung mehr erhalten wird. Somit verbliebe nur noch ein Unternehmen als Anbieter von BOS-zertifizierten Mobilfunkendgeräten.

Erwägungen

Sachlich ging das Bundeskartellamt von einem eigenen Markt für Mobilfunkendgerichte aus, die über das BOS-Zertifikat verfügen. Die räumliche Marktabgrenzung konnte offen bleiben, weil es ohnehin keine weiteren Unternehmen gegeben hätte, die über das Zertifikat verfügten.

Das Bundeskartellamt beließ es zwar bei einer vorläufigen Einschätzung der wettbewerblichen Auswirkungen, weil die Zusammenschlussanmeldung mangels Erreichen der Umsatzschwellen wieder zurückgenommen wurde. Es betonte allerdings die Einschätzung, dass sich der Zusammenschluss negativ auf das digitale Sprach- und Datenfunknetz für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und die Beschaffung der hierfür erforderlichen Endgeräte auswirkt, da jedenfalls zunächst nur ein Anbieter übrig bleibt. Andere Anbieter hatten bislang aus wirtschaftlichen Erwägungen keine geeigneten Endgeräte entwickelt. Kurzfristig war mit keinem Markteintritt eines neuen Wettbewerbers gerechnet.

Fazit

Die Ausführungen des Bundeskartellamts verdeutlichen, dass im Zweifel jegliche wirtschaftlichen Auswirkungen des Zusammenschlusses heranzuziehen sind. Dies gilt insbesondere auch für negative Auswirkungen für die Zusammenschlussbeteiligten selbst und für positive Auswirkungen für Wettbewerber. Die Auswirkungen können vor allem auch darin bestehen, dass die Stellung der Zusammenschlussbeteiligten auf einem bestimmten Markt geschwächt wird. Auch zu erwartende Reaktionen von Zulassungsbehörden auf den Zusammenschluss sind von Bedeutung.

Für Unternehmen, die einen Zusammenschluss planen, sowie für Rechtsanwender bedeutet dies, dass der Blick gegebenenfalls geweitet werden muss. Die Erwägungen des Bundeskartellamtes lassen sich auf jeden Bereich der Wirtschaft, insbesondere der Herstellung, übertragen.