In einem stetig wachsenden regulatorischen Umfeld sind Unternehmen fortlaufend Anpassungsprozessen ausgesetzt. Fragt man derzeit danach, welche Regulierung Unternehmen sektorübergreifend vor besondere Herausforderungen bei der Umsetzung stellt, hört man nahezu einhellig das Stichwort: Entwaldungsverordnung. Gestern hat das EU Parlament die Umsetzungsfrist um zwölf Monate auf den 30. Dezember 2025 verschoben. Für KMU sollen die neuen Vorgaben ab dem 30. Juni 2026 gelten und auch nicht in vollem Umfang.
Worum geht es?
Die Entwaldungsverordnung (EU-Verordnung 2023/1115) trat bereits am 29. Juni 2023 in Kraft und ist direkt anwendbares EU-Recht. Ihr Ziel ist die Verhinderung der Abholzung von Wäldern zur Vermeidung der damit einhergehenden schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Betroffen sind spezielle Rohstoffe, deren Herkunftsregionen traditionell außerhalb der EU liegen und die nach Einschätzung der EU oft in Verbindung mit der Abholzung von Wäldern stehen. Das sind Holz, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Rind und Soja, sowie bestimmte Erzeugnisse daraus. Mittel zur Zielerreichung sind Pflichten in der Lieferketten-Compliance. Erfasste Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen danach in der EU nur dann (erstmalig) in Verkehr gebracht oder weiter auf dem Markt bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, wenn sie drei Voraussetzungen kumulativ erfüllen:
1. sie sind entwaldungsfrei,
2. sie wurden nach den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt und
3. es wurde nach Durchführung einer Sorgfaltspflichtenprüfung eine Sorgfaltserklärung abgegeben.
Entwaldungsfrei bedeutet, dass relevante Rohstoffe nicht auf Flächen erzeugt worden sind, die nach dem 31. Dezember 2020 in eine landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt wurden. Dafür müssen Unternehmen die betroffenen Rohstoffe bis zum Erzeugungsort zurückverfolgen können und zwar nach geografischen Koordinaten.
Was ist das Problem?
So sehr das Entwaldungsverbot Umwelt- und Klimaschutz zugutekommen mag, so wenig nimmt die Einrichtung nachhaltiger und transparenter Lieferketten Rücksicht auf Praktikabilität einerseits und die Gegebenheiten außerhalb des gemeinsamen Marktes andererseits. Was bedeutet Geolokalisierung z.B. für den Import einer Palette Schokolade, zumal wenn sie Kaffeebohnen, Palmöl und/oder Soja enthält? Inwieweit darf sich ein Unternehmen in Ländern mit schwacher Infrastruktur oder in Regionen mit komplexen Landnutzungsrechten auf Angaben ihrer Zulieferer verlassen? Wenn der Kiosk an der Ecke eine Tafel Schokolade verkauft, welche Informationen muss er dann zu dem Produkt zur Hand haben?
Warum ist das wichtig?
Zur Sicherstellung der Einhaltung der Entwaldungsverordnung sind diverse Kontrollmechanismen vorgesehen. Die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden können Dokumentenprüfungen, Vor-Ort-Besichtigungen und weitere Ermittlungen durchführen und sollen dabei einen risikobasierten Ansatz verfolgen. Im Falle eines Verstoßes müssen Unternehmen mit Sanktionen rechnen, darunter Bußgelder von vier Prozent des unionsweiten Nettojahresumsatzes, Verkaufsverbote sowie Rückrufaktionen für nicht konforme Produkte.