Was ist heute eigentlich ein Computerprogramm?

Hinter der – scheinbar – naiven Frage verbirgt sich ein Problem des Urheberrechts, das fast so alt ist wie der Urheberrechtsschutz von Software. Was sagt das Gesetz? § 69a Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) lautet:

„Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.“

Doch die Welt der Softwareentwicklung ist vielschichtig. So lassen sich neben Streitfragen, die beinahe schon als „klassisch“ bezeichnet werden können (wie z. B. die Frage, ob HTML-Seiten urheberrechtlichen Schutz als Computerprogramm genießen können), vielfältige, derzeit noch kaum diskutierte Probleme aufwerfen, wie z. B. Datentypen in Strukturbeschreibungssprachen, Steuerungsparameter in Konfigurationsdateien, Workflow-Definitionen oder auch domänenspezifische Hochsprachen wie ABAP (die betriebswirtschaftliche Programmiersprache von SAP).

Neue Programmiertechniken legen den Finger in die Wunde

Diese Programmiertechniken legen den Finger in eine urheberrechtliche Wunde, da die zur Flexibilisierung oder Effizienzsteigerung ausgelagerten Programmteile von Ihrer syntaktischen Form her häufig wie Fachdaten ausgedrückt und wie diese in Datenbanken und Dateien gespeichert werden. Solche Fachdaten werden aber von der herrschenden Meinung – mitunter recht apodiktisch – vom Computerprogrammschutz ausgenommen. Doch Softwareentwicklung ist heute von enormer Flexibilität geprägt. Vielfach werden Komponenten, die früher direkt in einer einzigen Programmiersprache codiert wurden, ausgelagert.

Funktion von Artefakten für Einordnung entscheidend

So können diese Aspekte auch noch nach der Entwicklungsphase des eigentlichen Kernprodukts verändert werden. Gesetzgebungsgeschichte, Systematik, europarechtliche Vorgaben und Sinn und Zweck des Programmschutzes – wie jüngst vom Europäische Gerichtshof betont – sprechen jedoch dafür, den Schutzbereich nicht übertrieben zu verengen. Immer dann, wenn ein Artefakt für die Funktion der durch das Programm bewirkten Steuerung des Computers relevant ist, sollte diese dem Computerprogrammschutz unterfallen.

Zeitschriftenbeitrag und Diskussion

In einem Beitrag, der das Thema sowohl aus dem Blickwinkel der Informatik als auch aus rechtlichen Blickwinkel unter die Lupe nimmt, habe ich gemeinsam mit dem IT-Sachverständigen Dr. Oliver Stiemerling einen ersten Anlauf unternommen, einen frischen Blick auf diese Frage zu werfen (Computer und Recht 2016, 61-69; Abruf kostenpflichtig). Unsere Thesen wurden anlässlich eines Vortrages des Arbeitskreises EDV und Recht in Köln kontrovers diskutiert.

Fazit und Ausblick

Zunehmend geraten derartige Streitfragen in den Fokus der Gerichte. So stellt sich gerade im Zeitalter der Cloud-Services häufig die Frage, in welcher Form in der „Cloud“ gespeicherte Daten bei Vertragsende vom Anbieter herausgegeben werden müssen. Anbieter werden sich möglicherweise zunehmend auf das Argument zurückziehen, einen „Dump“, d.h. eine vollständige Kopie der Datenbank, nicht liefern zu müssen, wenn diese Datenbankkopie neben den reinen Fachdaten des Kunden (z. B. Kundendaten aus einem Cloud-CRM-System) auch in die Datenbank ausgelagerte Strukturbeschreibungen beinhaltet.

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