Was nicht in der Urkunde steht…

Grundstückskaufverträge (und Kauf- und Abtretungsverträge über GmbH-Geschäftsanteile) sind beurkundungsbedürftig – und zwar ihr gesamter Inhalt. Darauf weise ich in meinen notariellen Protokollen deutlich hin und erkläre es in dem Beurkundungstermin mündlich allen Beteiligten. Ich erläutere, dass alle Vereinbarungen der Parteien in die Urkunde aufgenommen werden müssen, ferner dass nicht beurkundete Abreden nicht wirksam sind und die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge haben können. Wie wichtig es ist, die Beteiligten für die Bedeutung der notariell beurkundeten vertraglichen Vereinbarungen zu sensibilisieren, zeigt eindrücklich eine vor kurzem veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15). Worum ging es?

Die Beklagten verkauften dem Kläger mit notariellem Vertrag ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück und schlossen dabei die Haftung für Sachmängel aus. Das Gebäude war im Jahr 1999/2000 an dem Standort einer ehemaligen Scheune errichtet worden. Dabei wurde in die Außenwand eine vor 1999 in die Scheune eingebaute Rückwand integriert.

Die Beklagten hatten das Objekt in einem Internetportal beworben und es u.a. wie folgt beschrieben: „Das massive Architektenhaus wurde 1999/2000 errichtet, bis 2005 ausgebaut.“ Der Kläger verlangt von den Verkäufern Schadensersatz, weil die integrierte Altbauwand schadensanfälliger und wärmedurchlässiger als die übrigen Wände sei. Er beruft sich darauf, dass ihm die Einbeziehung der Altbausubstanz nicht offen gelegt worden sei. Die Internetanzeige habe den Eindruck erweckt, das gesamte Gebäude sei ab 1999/2000 errichtet worden.

Das Oberlandesgericht Dresden als Vorinstanz hatte dem Kläger den geltend gemachten Anspruch noch teilweise zugesprochen. Dem folgt der BGH nicht. Er verweist zur Begründung auf den im notariell beurkundeten Kaufvertrag enthaltenen Ausschluss der Verkäuferhaftung für Sachmängel. Beschreibungen des Kaufgegenstandes im Internet oder in einem Exposé (dazu BGH NJW-RR 2012, 1078) können zwar durchaus eine vereinbarte Beschaffenheit des Kaufgegenstandes begründen, bei denen ein Ausschluss der Sachmängelgewährleistung nicht greift. Dem stehe im entschiedenen Fall aber entgegen, dass Grundstückskaufverträge gemäß § 311 b BGB beurkundet werden müssen. Die Herkunft des Gebäudes aus der Zeit ab 1999 sei aber nicht Teil der beurkundeten vertraglichen Vereinbarungen und deshalb grundsätzlich nicht zu beachten.

Die verbleibende Hoffnung des Käufers richtet sich in dieser Situation darauf, den Verkäufern ein arglistiges Verschweigen des Fehlers vorzuwerfen, weil dann der Haftungsausschluss nicht greift (§ 444 BGB). Der BGH dämpft aber insofern auch in der vorliegenden Entscheidung allzu große Hoffnungen des Käufers, mit dem Arglistargument den vereinbarten Haftungsausschluss aus dem Weg zu räumen. Er arbeitet noch einmal heraus, dass Arglist zumindest bedingten Vorsatz des Käufers voraussetzt. Dieser muss sich auch darauf erstrecken, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Es genügt nicht, wenn sich dem Verkäufer hätte aufdrängen müssen, dass aufklärungspflichtige Tatsachen vorliegen. Die Beweislast hierfür, auch des betont der BGH noch einmal, liegt beim Käufer. Zur Aufklärung, ob tatsächlich ein arglistiges Verhalten der Beklagten angenommen werden kann und ob der Käufer vielleicht den Mangel sogar kannte, hat der BGH den Fall an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis? Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass Bestandsimmobilien gebrauchte Sachen sind. Kaum ein Verkäufer ist deshalb willens und in der Lage, für die Mangelfreiheit des Kaufobjekts die Gewährleistung und Haftung zu übernehmen. Insofern hat der weit verbreitete Gewährleistungsausschluss in Grundstückskaufverträgen (landläufig umschrieben mit „gekauft wie besehen“, „gekauft wie es steht und liegt“) durchaus seine Berechtigung. Der Fall zeigt aber auch, wie wichtig es ist, konkret zu vereinbaren und auch zu beurkunden (!), wenn der Verkäufer eben nicht von jeder Gewährleistung und Haftung befreit werden, sondern für bestimmte Eigenschaften der Immobilie haften soll. Sich auf vorvertragliche Erklärungen und Auskünfte zu verlassen, die in der Urkunde keinen Niederschlag gefunden haben, ist ebenso riskant wie des Vertrauen auf den „Notnagel“ einer Verkäuferhaftung für Arglist.