Dass Kartellabsprachen zwischen Wettbewerbern nach § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten sind, ist hinlänglich bekannt. Die Reichweite des Kartellverbotstatbestandes ist im Einzelfall aber häufig unklar. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 18.02.2020 (KZR 7/17 – Einspeiseentgelt III) einen speziellen Anwendungsfall zu entscheiden: die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF hatten sich darüber abgestimmt, ihren jeweiligen Einspeisevertrag mit einem Kabelnetzbetreiber zu kündigen, woraufhin nicht nur ARD und ZDF sondern auch deren Gemeinschaftsunternehmen ARTE die Kündigung des Einspeisevertrages erklärte. Der BGH urteilte, dass nicht nur die Kündigungen von ARD und ZDF, sondern auch von ARTE wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot zivilrechtlich unwirksam seien.
Reichweite des Kartellverbots
Das Kartellverbot verbietet jedwede spürbare Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit zwischen Unternehmen. Beschränkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit umfassen nicht nur den Ausschluss der Teilnahme am Wettbewerb insgesamt, bspw. durch Absprachen bei öffentlichen Ausschreibungen, sondern auch die Beschränkungen im Gebrauch einzelner wettbewerbsrelevanter Aktionsparameter, wie der Gestaltung von Preisen, Preisbestandteilen oder Geschäftsbedingungen, der Festsetzung der Produktionsmenge, der Wahl und Aufteilung der Absatzgebiete, der Art der zu erzeugenden Produkte und Produktsortimente, der Festlegung der Qualität und der Werbemaßnahmen und nicht zuletzt der Auswahl der Vertragspartner. Verboten und damit zivilrechtlich unwirksam sind somit insbesondere Vereinbarungen darüber, bestimmte Geschäftsbeziehungen aufzunehmen oder auch zu beenden, sofern die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen aktuelle oder zumindest potentielle Wettbewerber sind.
Das Urteil des BGH
Gegenstand des Rechtsstreits war die Zahlung von Entgelten für die Einspeisung von Programmsignalen in das Breitbandkabelnetz. Die Beklagte, die den deutschsprachigen Teil von ARTE veranstaltet, berief sich demgegenüber auf die fristgerechte Kündigung des Einspeisevertrages. Die Kündigung der Beklagten beruhte nachweislich auf einem abgestimmten Verhalten der Gesellschafter der Beklagten, der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und des ZDF. Diese hatten Einvernehmen darüber erzielt, dass künftig keinem Kabelnetzbetreiber mehr Entgelt für die Einspeisung von Programmsignalen gezahlt werden solle. Nachdem die Rundfunkanstalten mit im wesentlichen gleichlautenden Schreiben die Kündigung des Einspeisevertrages erklärten, kündigte auch die Beklagte, das Gemeinschaftsunternehmen ARTE, den Einspeisevertrag. Während das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der Einspeisevergütung für das streitige Jahr verurteilte, hob der BGH das Berufungsurteil auf, soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hatte.
Zwar habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die auf einer abgestimmten Verhaltensweise beruhende Kündigung des Einspeisevertrages durch die Gesellschafter der Beklagten unwirksam sei (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 16.06.2015 – KZR 83/13 – Einspeiseentgelt). Diese Verhaltensabstimmung habe aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch in Bezug auf das beklagte Gemeinschaftsunternehmen eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, sodass auch die von diesem erklärte Kündigung gegen das Kartellverbot verstoße und damit unwirksam sei. Es sei soweit unerheblich, dass sich die Mitglieder der ARD und das ZDF als Gesellschafter hinsichtlich des Verhaltens von ARTE abstimmen durften und ggf. mussten. Denn im Hinblick auf die Kündigung des Einspeisevertrages durften sie sich wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot nicht auf ein gemeinsames Verhalten verständigen. Es sei deshalb ebenso unerheblich, ob die für das beklagte Gemeinschaftsunternehmen getroffene Kündigungsentscheidung maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschafter, hatte, selbst den Einspeisevertrag zu kündigen. Der Unwirksamkeit der Kündigung stünde auch nicht entgegen, wenn bereits der Einspeisevertrag auf einer verbotenen Verhaltensabstimmung beruhte. Dieser Vertrag wäre im Zweifelsfall mit Rücksicht auf das Schutzbedürfnis des klagenden Kabelnetzbetreibers als wirksam zu betrachten. Jedenfalls wäre es dem beklagten Gemeinschaftsunternehmen ARTE im Verhältnis zur Klägerin nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine Nichtigkeit des Vertrages zu berufen.
Schlussfolgerung und Empfehlung
Gesellschafter von Gemeinschaftsunternehmen müssen vor der Abstimmung gemeinsamer Maßnahmen in Bezug auf das Gemeinschaftsunternehmen prüfen, ob sie im Hinblick auf den betroffenen Markt bzw. den betroffenen Vertragspartner miteinander im Wettbewerb stehen. Ist dies der Fall, verstößt ihre Abstimmung über das Verhalten des Gemeinschaftsunternehmens gegen das Kartellverbot. In solchen Fällen muss die Entscheidung bspw. über eine Vertragskündigung allein der Geschäftsführung überlassen bleiben; die Gesellschafter dürfen sich hier nicht einmischen.