Weitere Klärung der Haftung des Liquidators einer GmbH gegenüber übergangenen Gläubigern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 19.11.2019 (Az.: II ZR 233/18) seine Rechtsprechung zu der Frage, ob und auf welcher Grundlage der Liquidator einer GmbH gegenüber einem Gläubiger haftet, den er bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens übergangen hat, bestätigt und weiter präzisiert.

So hat der BGH im Anschluss an seine Entscheidung vom 21.5.2019 (Az.: II ZR 337/17) klargestellt, dass der übergangene Gläubiger auch nach Abschluss der Liquidation der Gesellschaft keinen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 S. 1 GmbHG gegen den Liquidator hat. Auch nach Abschluss der Liquidation komme § 64 S. 1 GmbHG kein Schutzgesetzcharakter zu.

Darüber hinaus hat der BGH erneut bekräftigt, dass dem Gläubiger allerdings ein direkter Anspruch gegen den Liquidator gemäß § 73 Abs. 3 GmbHG, § 268 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 5 AktG analog zustehen kann, wenn ein Gläubiger bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens nicht berücksichtigt wurde, die Gesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht wurde und keine weiteren Gläubiger mehr vorhanden sind. Ein solcher Anspruch verjähre gemäß § 73 Abs. 3 S. 2, § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren, beginnend mit der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung (also der Verteilung entgegen § 73 Abs. 1 GmbHG unter Übergehung des Gläubigers

1. Die Entscheidung des BGH

1.1 Sachverhalt (vereinfacht und gekürzt)

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der M GmbH, gegen die der Kläger einen Werklohnanspruch verfolgte. Am 19. Juni 2009 wurde die D GmbH in das Handelsregister eingetragen, deren Geschäftsführer der Beklagte ebenfalls war. Anschließend erfolgte die formwechselnde Umwandlung der M GmbH in die D GmbH & Co. KG (im Folgenden D KG) mit der D GmbH als Komplementärin. Am 14. Juli 2009 wurde das Erlöschen der Firma der D KG in das Handelsregister eingetragen und am Folgetag die Auflösung der D GmbH, deren Liquidator der Beklagte wurde.

Der Beklagte stellte an die D GmbH zwischen dem 8. Oktober 2009 und dem 14. November 2011 verschiedene Rechnungen, die er sich selbst auszahlte. Am 7. Mai 2012 wurden die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der D GmbH bekannt gemacht.

Der Kläger beantragte den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten. Der Mahnbescheid wurde am 11. Januar 2014 an den Beklagten zugestellt, der die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Das Berufungsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben.

1.2 Argumentation des BGH

a) Kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 S. 1 GmbHG

Gleich zu Beginn des Urteils vom 19.11.2019 stellt der BGH klar, dass § 64 S. 1 GmbHG nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.

Es handele sich vielmehr um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die einen „Ersatzanspruch eigener Art“ zugunsten der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse enthalte. Auch nach Abschluss der Liquidation ändere sich der Schutzzweck des Zahlungsverbots nach § 64 S. 1 GmbHG entgegen der Ansicht der Vorinstanz, des OLG Frankfurt am Main, nicht.

 

b) Kein Anspruch gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG (analog)

Weiter erteilt der BGH Stimmen aus der Literatur eine Absage, die in bestimmten Konstellationen in Analogie zu § 62 Abs. 2 S. 1 AktG dem Gläubiger das Recht zusprechen wollen, den Anspruch der Gesellschaft gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG wegen eines Verstoßes gegen § 73 Abs. 1 GmbHG auch direkt gegen den Gesellschafter geltend zu machen.

Es fehle bereits an der für eine solche Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Zwar sei der Gegenansicht durchaus zuzugeben, dass der Zugriff des übergangenen Gläubigers auf den Anspruch der Gesellschaft tatsächliche Schwierigkeiten aufweise. Allerdings sei die Kapitalerhaltung in der GmbH – anders als in der AG – grundsätzlich als eine Haftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Daran ändere auch die andauernde Liquidation nichts, da § 73 Abs. 1 GmbHG das allgemeine Kapitalerhaltungsgebot nur erweitere.

c) Möglicher Anspruch gemäß § 73 Abs. 3 GmbHG, § 268 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 5 AktG analog

Im Hinblick auf einen Anspruch des übergangenen Gläubigers gemäß § 73 Abs. 3 GmbHG, § 268 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 5 AktG analog hat der BGH bekräftigt, dass ein solcher besteht, wenn ein Gläubiger bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens nicht berücksichtigt wurde, die Gesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht wurde und keine weiteren Gläubiger mehr vorhanden sind. Im konkreten Fall fehlte es jedoch an tatsächlichen Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen.

d) Verjährung

Zu der Verjährung eines Anspruchs gemäß § 73 Abs. 3 GmbHG, § 268 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 5 AktG analog hielt der BGH fest, dass sich diese nach § 73 Abs. 3 S. 2 in Verbindung mit § 43 Abs. 4 GmbHG richte. Für die Verjährung sei darüber hinaus nicht relevant, dass der Gläubiger seinen Anspruch nach der Rechtsprechung des BGH erst nach Löschung – und damit (möglicherweise deutlich) nach der Verteilung – geltend machen kann. Somit verjähre der Anspruch in fünf Jahren ab der Verteilung des Vermögens unter Übergehung eines Gläubigers (als Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung).

2. Konsequenzen für die Praxis

Nachdem er bereits 2018 klargestellt hatte, dass § 73 Abs. 3 GmbHG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (Urteil vom 13.03.2018, Az.: II ZR 158/16), hat der BGH gleiches nun auch für § 64 S. 1 GmbHG entschieden – unabhängig davon, ob die Liquidation noch läuft (Entscheidung vom 21.5.2019, Az.: II ZR 337/17) oder bereits abgeschlossen ist. Allerdings betont er erneut einen möglichen Anspruch des übergangenen Gläubigers gemäß § 73 Abs. 3 GmbHG, § 268 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 5 AktG analog. Ein solcher verjährt ab der Verteilung des Vermögens unter Übergehung eines Gläubigers.

Um eine eigene Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft auszuschließen, sollten Liquidatoren zukünftig bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens und der Prüfung etwaiger Verbindlichkeiten eine noch größere Sorgfalt als bisher an den Tag legen. Fehler, die ihnen insofern unterlaufen, gehen direkt auf den eigenen Geldbeutel.

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