Weiterer Rüffel des EuGH: Kein Nutzungsersatz bei Widerruf von Darlehen im Fernabsatz

Es wird langsam zur Gewohnheit: Gestern hat der EuGH abermals entschieden, dass deutsches Verbraucherkreditrecht nicht im Einklang mit europäischen Vorgaben steht. Diesmal ging es nicht darum, ob dem Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht zusteht, sondern welche Folgen ein Widerruf nach sich zieht.

Vorabentscheidungsersuchen des LG Bonn

Ausgangspunkt war wieder einmal das LG Bonn: Es war zu einer Entscheidung über einen Widerruf eines im Wege des Fernabsatzes abgeschlossenen Darlehensvertrages berufen. Der Darlehensnehmer begehrte von der Bank unter anderem Nutzungsersatz auf gezahlte Raten. Nach den §§ 346, 357 BGB a. F. stand ihm ein solcher Anspruch an sich zu. Das LG Bonn witterte jedoch einen Verstoß gegen EU-Recht.

Art. 7 Abs. 4 Fernabsatzfinanzdienstleistungsrichtlinie als abschließende Regelung

Für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen hat der europäische Gesetzgeber im Jahr 2002 eigens eine Richtlinie erlassen. Darin geregelt sind u. a. ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und Widerrufsfolgen. Hierzu statuiert Art. 7 Abs. 4: „Der Anbieter erstattet dem Verbraucher unverzüglich und spätestens binnen 30 Kalendertagen jeden Betrag, den er von diesem gemäß dem Fernabsatzvertrag erhalten hat“. Von (darüber hinausgehenden) Nutzungen ist nicht die Rede. Das LG Bonn meinte daher, dass die Richtlinie keinen Raum für einen Nutzungsersatz zugunsten des Verbrauchers biete.

Entscheidung des EuGH vom 04.06.2020

Für den EuGH gab es keinen Zweifel: Die Widerrufsfolgen sind in Art. 7 Abs. 4 der EU-Richtlinie abschließend geregelt. Aufgrund des vollharmonisierenden Charakters der Richtlinie durfte der deutsche Gesetzgeber hiervon nicht abweichen, und zwar auch nicht zugunsten des Verbrauchers. Nirgendwo stehe, dass die Bank verpflichtet wäre, über die Erstattung gezahlter Tilgungs- und Zinsbeträge hinaus auch Nutzungsersatz an den Verbraucher zu leisten. Das deutsche Recht war somit zu verbraucherfreundlich. Mal wieder, muss man sagen. Denn bereits am 11.09.2019 hatte der BGH betont, dass ein Widerruf von Darlehen, die im Fernabsatz zustande kamen, nach deren Erledigung nicht mehr in Betracht kam und deutsches Recht insoweit gegen EU-Recht verstieß.

Auswirkungen des EuGH-Urteils

Was fängt man nun mit dem EuGH-Urteil an? Nichts. Außer der Erkenntnis, dass der deutsche Gesetzgeber dem Verbraucher abermals etwas zugesprochen hat, was ihm nach EU-Recht nicht zusteht. Faktisch wird sich aber wohl nichts ändern. Denn der BGH hat wiederholt – zuletzt am 31.03.2020 (siehe Blogbeitrag vom 24.04.2020) – betont, dass das nationale Recht, wenn es keine Auslegungen zulässt, deutsche Gerichte bindet, mag es auch noch so EU-rechtswidrig sein. In Altfällen mag der Kunde daher wohl noch Nutzungsersatz verlangen können. Für Darlehen ab Juni 2014 gilt dies ohnehin nicht mehr. Denn seitdem sind in § 357 a BGB die Rechtsfolgen eines Widerrufs neu und abschließend geregelt. Auf § 346 BGB wird nicht mehr verwiesen. Nutzungsersatz gibt es hiernach nicht mehr. Daher braucht der deutsche Gesetzgeber hier zumindest nicht mehr nachzubessern.

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