Der Bundestag hat am 18. Juni 2020 das „Erste Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze“ beschlossen, das mittlerweile dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung und Ausfertigung vorliegt. Nachdem die Bundesregierung im Außenwirtschaftsrecht zuletzt mit der 15. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung auf die besonderen Entwicklungen der Corona-Pandemie reagierte, werden im Rahmen der nunmehr geplanten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vor allem Anforderungen der EU-Screening-Verordnung in deutsches Recht überführt.
1. Verschärfung des Prüfungsmaßstabs
Ein zentraler Bestandteil dieser Angleichung deutschen Rechts an die EU-Screening-Verordnung ist dabei die Absenkung der Eingriffsschwelle in zweierlei Weise: Statt wie bisher eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung“ (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 AWG) genügt zukünftig eine „voraussichtliche Gefährdung“ (vgl. § 5 Abs. 2 AWG n.F.). Dieser Maßstab entspricht dem in Art. 4 Abs. 1 der EU-Screening-Verordnung angelegten Gefährdungsbegriff. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. S. 18) handelt es sich dabei auch nicht nur um begriffliche Anpassungen an europäisches Recht. Vielmehr ist insbesondere mit der Umstellung von „Gefährdung“ auf „Beeinträchtigung“ ausdrücklich eine Absenkung der Anforderungen an den erforderlichen Gefährdungsgrad bezweckt. Neben dieser Absenkung der erforderlichen Gefährdungsschwelle wird durch den Wechsel von einer „tatsächlichen“ zu einer „voraussichtlichen“ Beeinträchtigung der Fokus von den unmittelbaren Auswirkungen eines Erwerbs noch mehr hin auf künftige (und damit hypothetische) Auswirkungen verschoben. Es bleibt abzuwarten, wie stark die Absenkung der Eingriffsschwelle künftig durch das BMWi ausgeschöpft werden und die bisherige Prüfungspraxis ändern wird.
Die aktuelle Gesetzesänderung lässt zwar den eigentlichen Prüfungsmaßstab der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ unangetastet. Gleichwohl wird hier abzuwarten sein, welche Auswirkungen die in Art. 4 der EU-Screening-Verordnung genannten besonderen Aspekte (z.B. der direkten oder indirekten Kontrolle des Erwerbers durch eine ausländische Regierung) bei der künftigen Interpretation dieses Begriffs haben werden. Die konkrete Umsetzung der Erweiterung auch des Begriffs der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ insbesondere um den Bereich der in der EU-Screening-Verordnung genannten „kritischen Technologien“ hat der Gesetzgeber der Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vorbehalten, die in einem nachgelagerten Schritt erfolgen soll (vgl. die Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums).
2. Ausweitung des Vollzugsverbots
Flankiert wird die Verschärfung des Prüfungsmaßstabs durch eine Verschärfung des Vollzugsverbots. Soweit danach auf Basis der Außenwirtschaftsverordnung ein meldepflichtiges Rechtsgeschäft vorliegt, sind Maßnahmen, die auf seinen Vollzug gerichtet sind, gemäß § 15 Abs. 3 AWG n.F. verboten und bis zu einer Genehmigung (bzw. Genehmigungsfiktion) schwebend unwirksam. Statt wie bisher im Rahmen der sektorspezifischen Prüfung (insbesondere im militärischen Bereich) gilt dies nunmehr auch im Anwendungsbereich der allgemeinen sektorübergreifenden Kontrolle.
Gerade diese Ausweitung des Vollzugsverbots dürfte für die Transaktionspraxis von Bedeutung sein – nicht zuletzt aufgrund der ebenfalls neu eingeführten strafrechtlichen Sanktionierung eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot. Da auch die Weitergabe bestimmter Informationen nach der neuen Regelung einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot darstellen kann (mit der Folge einer entsprechenden möglichen Strafbarkeit der weitergebenden Person) wird die Frage einer möglichen Anwendbarkeit des außenwirtschaftsrechtlichen Kontrollregimes künftig bereits vor Beginn der Due Diligence zu beantworten sein.
3. Änderung der Fristen
Nicht im ursprünglichen Referentenentwurf enthalten und erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Vorschlag des Ausschusses für Wirtschaft und Energie aufgenommen wurde die Vereinheitlichung der Fristenregelungen der sektorspezifischen und der sektorübergreifenden Prüfung. Die bisher ausschließlich in der Außenwirtschaftsverordnung enthaltenen Fristen werden künftig mit dem neuen § 14a AWG n.F. erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Künftig sind daher im Rahmen der Investitionskontrolle insbesondere die folgenden Fristen relevant:
- Binnen zwei Monaten ab Kenntnis vom schuldrechtlichen Vertrag kann das BMWi ein Prüfverfahren eröffnen (Verkürzung von bisher drei Monaten);
- binnen zwei Monaten ab Antrag ist entweder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen oder ein Prüfverfahren zu eröffnen;
- die Frist für die Prüfung im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens beträgt künftig einheitlich vier Monate ab Eingang der erforderlichen Unterlagen;
- die Prüffrist von vier Monaten kann das BMWi bei „besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art“ um drei Monate bzw. bei besonderer Relevanz für die Verteidigungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland um einen weiteren Monat verlängern.
Neben der Vereinheitlichung der Fristen ist allerdings im Hinblick auf den Beginn der viermonatigen Prüffrist erfreulicherweise ein Stück mehr Rechtssicherheit für die Beteiligten des Verfahrens geschaffen worden: Bisher beginnt die Frist mit jeder Nachforderung von Unterlagen durch das BMWi erneut zu laufen; künftig führt die Nachforderung von Unterlagen durch das BMWi nur noch zu einer Hemmung des Fristlaufs bis zu deren Übermittlung und nicht zu einem vollständigen Neubeginn.
Ob die zu begrüßenden Änderungen im Bereich der Fristenregelung tatsächlich zu der vom Gesetzgeber angestrebten besseren Kalkulierbarkeit für die Betroffenen und zu einer kürzeren Gesamtverfahrensdauer führen werden, wird letztlich davon abhängen, wie das BMWi die Möglichkeiten zur Hemmung der Frist und zur Verlängerung des Verfahrens ausschöpft.
4. Ausblick auf weitere Änderungen
Weitere Änderungen im Bereich des Außenwirtschaftsrechts wird die bereits angesprochene 16. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung bringen, die voraussichtlich spätestens zur Geltung der EU-Screening-Verordnung ab dem 11. Oktober 2020 erfolgen wird. Darüber hinaus sieht das vorliegende Gesetz eine Evaluierung der vorgenommenen Änderungen nach zwei Jahren und die EU-Screening-Verordnung eine Evaluierung bis zum 12. Oktober 2023 vor. Das Außenwirtschaftsrecht dürfte daher auch künftig weiterhin „im Umbau“ bleiben.