Wem gehören Industriedaten?

Schlageworte wie Big Data, Industrie 4.0, Internet of Things (IoT) und künstliche Intelligenz (KI) bestimmen seit einiger Zeit die politische, gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Debatte. Durch die Vernetzung von Objekten gleich welcher Art, die in Echtzeit miteinander kommunizieren, eröffnet das IoT bereits heute eine Welt neuer Produkte und Dienstleistungen. Zu denken ist an die intelligente Europalette, deren Transportweg jederzeit nachvollziehbar ist, das selbstfahrende Auto, das dem Fahrer den Weg zum nächsten Parkplatz weist, oder den Straßenzug, dessen Laternen sich automatisch dimmen, wenn niemand in der Nähe ist. Reale und virtuelle Welt verschmelzen. Die Vision vom Internet of Everything (IoE) wird allmählich zur Wirklichkeit.

Leistungsstarke Algorithmen ermöglichen es, aus nahezu jedem Datensatz verwertbare Informationen herauszufiltern. Private, unternehmerische oder politische Entscheidungen werden immer seltener vom Menschen selbst, als zunehmend von lernfähigen Maschinen getroffen. In Form von Spracherkennungssoftware oder Übersetzungsanwendungen erleichtert KI bereits heute den Alltag. In naher Zukunft werden selbstfahrende Autos – etwa basierend auf Algorithmen zur Bewegungsvorhersage von Fußgängern – Gefahrensituationen vermeiden und für einen reibungslosen Verkehrsfluss sorgen. Je mehr Daten zur Verfügung stehen und valide ausgewertet werden können, desto schlauer, verlässlicher und sicherer werden die Systeme. Die vierte industrielle Revolution ist im vollem Gange. Ihr Rohstoff: Daten.

Wem aber gehört dieser Rohstoff?

Verschiedene Stakeholder melden Vorrechte an. Das Beispiel der intelligenten Landwirtschaftsmaschine, die jederzeit Daten über Saatgut, Boden und Witterungsverhältnisse erhebt, zeigt, wie viele Personen als Berechtigte in Frage kommen: Zu denken wäre an den Hersteller der Baumaschine bzw. der datenerhebenden Recheneinheit. Auch könnte derjenige „Eigentümer“ der Daten sein, der die Maschine bedient oder in dessen Eigentum sie steht. Gleichzeitig kommt als Berechtigter aber auch

der Landwirt in Betracht, dem das zu bestellende Feld gehört. Oder doch eher dessen Pächter?

Es gibt kein Dateneigentum

In dieser Gemengelage schafft das Gesetz keine Abhilfe. Denn es trifft keine Aussage dazu, wem „Rohdaten“ – also Daten die keinen Bezug zu einer natürlichen Person aufweisen – gehören.

Aufgrund ihrer „Flüchtigkeit“ können Daten nicht mit körperlichen Gegenständen verglichen werden. Damit sind sie nicht sacheigentumsfähig nach dem Vorbild des BGB.

Nur unter besonderen Voraussetzungen sind Daten über das Geschäftsgeheimnisgesetz geschützt. Für reine Beobachtungsdaten, die im Kontext von KI oder IoT quasi „nebenbei“ anfallen, greift ein solcher Schutz grundsätzlich nicht (für nähere Informationen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird dem interessierten Leser der von den Kollegen Dr. Kay Diedrich und Jens Nebel herausgegebene Online-Kommentar zum Geschäftsgeheimnisgesetz sehr ans Herz gelegt).

Auch weisen Rohdaten in der Regel keine besondere „Schöpfungshöhe“ auf und sind daher nicht urheberrechtsfähig. Sind die Daten besonders systematisch oder methodisch gespeichert, kommt zwar ein Schutz über das Recht des Datenbankherstellers in Betracht. Dieses Recht schützt aber nur den „Aggregatzustand“ von Daten, nämlich die systematische oder methodische Anordnung in einer Datenbank. Nicht geschützt sind die Daten an sich.

Resümee und Rat zu vertraglicher Vorsorge

Die Rechtstellung an Rohdaten kommt insgesamt einem „Flickenteppich“ gleich. Ein „Dateneigentum“ im Sinne eines ausschließlichen Abwehr- und Verwertungsrechts gibt es aber nicht. Aktuell gilt frei nach dem Bolzplatz-Motto „Wer hat, der hat!“, dass allein derjenige den Nutzen aus den Daten ziehen kann, der sie faktisch besitzt. Ist diese Konsequenz in Geschäftsbeziehungen nicht gewünscht, ist durch vertragliche Regelungen Abhilfe zu schaffen.