Wenn es um Alles geht – Zum Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter bei besonders bedeutsamen Geschäften der GmbH

BGH, Urteil vom 08.01.2019, II ZR 364/18

Was kann der Geschäftsführer allein entscheiden in einer GmbH – und wofür braucht er die Zustimmung der Gesellschafter? Der Bundesgerichtshof hat nun eine praktisch bedeutsame Entscheidung zu der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern getroffen. Will ein Geschäftsführer das gesamte Gesellschaftsvermögen übertragen, bedarf er der Zustimmung der Gesellschafter, auch wenn der Gesellschaftsvertrag kein Zustimmungserfordernis vorsieht. § 179a AktG ist nicht analog anwendbar.

I. Was war passiert (Sachverhalt gekürzt und vereinfacht)?

Die Gesellschafter 1 und 2 hielten gleich hohe Anteile an einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung und Montage sowie der Handel mit Fenstern und Türen darstellte. Die Gesellschafter beschlossen die Auflösung der Gesellschaft zum 31.12.2013. Beide Gesellschafter wurden alleinvertretungsberechtigte Liquidatoren.

Zur Liquidation gehörte auch die Veräußerung des Betriebsgrundstücks. Obwohl Gesellschafter 1 seinem Mitgesellschafter mitgeteilt hatte, dass er am Kauf des Grundstückes interessiert war, verkaufte dieser das Grundstück an einen Dritten und ließ eine Auflassungsvormerkung zu dessen Gunsten eintragen. Die GmbH verklagte daraufhin den Käufer und begehrte die Löschung der Auflassungsvormerkung. Sie warf dem Gesellschafter 2 Missbrauch seiner Vertretungsmacht vor und war der Ansicht, der beklagte Käufer habe vor diesem Missbrauch jedenfalls „grob fahrlässig die Augen verschlossen.“

Der BGH gelangt mit der Vorinstanz, dem OLG Brandenburg, zu der Einschätzung, dass § 179a AktG nicht entsprechend auf die GmbH anzuwenden ist. Anders als das OLG Brandenburg verweist der BGH jedoch auf den Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter für besonders bedeutsame Geschäfte der GmbH nach § 49 Abs. 2 GmbHG. Ist der Dritte bösgläubig - also hat er Kenntnis oder hätte er Kenntnis davon haben müssen, dass es sich um ein zustimmungsbedürftiges Geschäft handelt - so wirkt die Beschränkung auch gegen ihn. Nichts Anderes gilt in der Phase der Liquidation der Gesellschaft. Zwar handeln die Liquidatoren gemäß § 70 Abs. 1 GmbHG nach pflichtgemäßem Ermessen. Die hierarchische Organisation der Gesellschaft bleibt jedoch bestehen – und damit auch ein Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter bei besonders bedeutungsvollen Liquidationsmaßnahmen. Die Sache ist daher vom BGH an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, um festzustellen, ob der Käufer bösgläubig war.

II. Argumentation des BGH

1. Keine analoge Anwendung von § 179a AktG auf die GmbH

Lange war umstritten, ob § 179a AktG auf die GmbH entsprechend anzuwenden ist. Diese Vorschrift sieht einen Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung vor, wenn ein Vertrag die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens zum Gegenstand hat, ohne dass die Übertragung unter die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes fällt. Der Zustimmungsbeschluss bedarf einer Mehrheit von 75% des Grundkapitals und muss notariell beurkundet werden. Weitreichende Folge von § 179a AktG ist eine Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis. Geschäfte, die § 179a AktG unterfallen und ohne Zustimmung geschlossen wurden, sind schwebend unwirksam.

Der BGH lehnt mit sehr ausführlicher Begründung eine analoge Anwendung auf die GmbH ab. Bei § 179a AktG handle es sich um eine systemfremde Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes. Der Gesetzgeber habe diese Regelung zum Schutz der Aktionäre eingeführt, da diese außerhalb der Hauptversammlung geringe Einfluss– und Informationsmöglichkeiten bezüglich der Geschäftsführung hätten.

§ 179a AktG schafft jedoch Unsicherheit für den redlichen Rechtsverkehr und ist nach Ansicht des BGH nicht erforderlich, um die Gesellschafter einer GmbH zu schützen. Anders als den Aktionären (vgl. § 119 Abs. 2 AktG) steht den Gesellschaftern ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zu (§ 37 GmbHG). Außerdem können sich die Gesellschafter jederzeit und umfassend über die Geschäfte der GmbH informieren (§ 51a GmbHG).

2. Zustimmungsvorbehalt aus § 49 Abs. 2 GmbHG

Der BGH verwirklicht den notwendigen Schutz des Mitgesellschafters jedoch über den Gedanken des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Er verweist auf den Zustimmungsvorbehalt für besonders bedeutsame Geschäfte nach § 49 Abs. 2 GmbHG. Wenn das gesamte Vermögen der Gesellschaft veräußert werden solle, noch dazu, nachdem ein Gesellschafter selbst Interesse an einem Erwerb bekundet hatte, könne die Geschäftsführung nicht ohne Einschaltung der Gesellschafterversammlung handeln. Die Verpflichtung zur Beteiligung der Gesellschafterversammlung stelle zwar grundsätzlich nur eine Beschränkung im Innenverhältnis dar. Bei Bösgläubigkeit des Dritten wirke die Beschränkung aber ausnahmsweise auch nach außen.

3. Wirkung gegen den Dritten bei Bösgläubigkeit

Hat der Dritte als Vertragspartner Kenntnis, oder hätte er Kenntnis davon haben müssen, dass es sich um ein besonders bedeutsames Geschäft für die GmbH handelt, so wirkt die Beschränkung auch gegen ihn. Bösgläubigkeit besteht auch dann, wenn sich das Fehlen eines Zustimmungsbeschlusses aufdrängt. Dies kann nach Ansicht des BGH sogar zu einer Erkundigungsobliegenheit des Dritten führen.

4. Konsequenzen für die Praxis

Für die Praxis ergeben sich unterschiedliche Folgen, je nachdem, in welcher Position man sich als Beteiligter wiederfindet:

Vertragspartner der GmbH sollten bei Anhaltspunkten dafür, dass es sich um ein besonders bedeutsames Geschäft handelt, die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung prüfen.

Geschäftsführer sollten immer dann, wenn es sich um eine besonders weitreichende Maßnahme handelt, die Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeiführen. Nur so lassen sich Schadensersatzpflichten vermeiden.

Und Rechtsberater müssen gründlich prüfen, ob ein Fall der Gesellschafterkompetenz vorliegt. Im Zweifel sollte vorsorglich ein Zustimmungsbeschluss eingeholt und dem abzuschließenden Vertrag auch beigefügt werden. Denn an einem unwirksamen Geschäft hat kein Mandant Interesse.

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