Wie vermeide ich Ärger mit dem Pflichtteil? - Neues BGH-Urteil zu gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln im Pflichtteilsrecht

Immer wieder ist das gesetzliche Pflichtteilsrecht Gegenstand der erbrechtlichen Beratungspraxis. Das Pflichtteilsrecht garantiert im Erbfall den pflichtteilsberechtigten Personen – dies sind der Ehegatte und die Abkömmlinge des Erblassers sowie für den Fall, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch die Eltern des Erblassers – eine Mindestteilhabe am Nachlass in Höhe des hälftigen gesetzlichen Erbteils.

Nicht selten besteht allerdings bei Mandanten der Wunsch, die gesetzlich vorgesehenen Pflichtteilsansprüche „missliebiger“ Abkömmlinge durch vorsorgende Nachfolgegestaltungen zu minimieren und so das Pflichtteilsrecht quasi „auszuhebeln“. So kann insbesondere durch lebzeitige Übertragung von Vermögensgegenständen – etwa auf die zukünftigen Erben oder Dritte – zumindest eine Reduzierung etwaiger Pflichtteilsansprüche erreicht werden. Hierbei gilt es allerdings, rechtliche Fallstricke zu beachten.

„Reine“ lebzeitige Schenkungen von Vermögensgegenständen helfen in solchen Fällen i.d.R. nur bedingt weiter: Zwar wird hierdurch zunächst die Erbmasse und damit der Wert des gesetzlichen Erbteils, der für die Pflichtteilsberechnung maßgeblich ist, reduziert. Gleichzeitig muss jedoch berücksichtigt werden, dass lebzeitige Schenkungen beim Pflichtteilsberechtigten nach § 2325 Abs. 1 BGB sog. „Pflichtteilsergänzungsansprüche“ auslösen, was nach dem Willen der Beteiligten natürlich ebenfalls regelmäßig vermieden werden soll.

Eine Möglichkeit, Vermögen zu Lebzeiten „pflichtteilsfest“ – d.h. ohne Entstehung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen zugunsten von Pflichtteilsberechtigten – zu übertragen, bieten beispielsweise gesellschaftsrechtliche Gestaltungen.

Problematisiert wurden in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit insbesondere gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln. So kann man sich zum Zweck der Pflichtteilsreduzierung etwa den Umstand zunutze machen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine gesellschaftsrechtliche Regelung, die beim Tod eines Gesellschafters einer Personengesellschaft die Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Mitgesellschaftern vorsieht und gleichzeitig allseitig Abfindungsansprüche der Erben ausschließt, grundsätzlich – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – keine unentgeltliche Zuwendung und damit keine pflichtteilsrelevante Schenkung i.S.v. § 2325 Abs. 1 BGB an die verbleibenden Gesellschafter darstellt. Zweck einer solchen Regelung sei nach dieser Rechtsprechung i.d.R. nicht, den verbleibenden Gesellschafter unentgeltlich etwas zuzuwenden, sondern die wirtschaftliche Bestandssicherung der Gesellschaft. Es handele sich daher nicht um einen Schenkungstatbestand, sondern um eine gesellschaftsrechtliche Regelung der Mitgliedschaft zur Erhaltung eines gesellschaftlich gebundenen Zweckvermögens. Ferner nehme jeder Gesellschafter das gleiche Risiko auf sich, für den Fall seines Ausscheidens seinen Anteil ohne Abfindung zu verlieren, so dass auch der „aleatorische“ Charakter des Rechtsgeschäfts der Annahme einer Schenkung entgegenstehe.

Vorsicht ist insoweit allerdings bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften geboten. Ob in diesen Fällen ein Abfindungsausschluss überhaupt pflichtteilsfest ist, wurde bisher in der Rechtsprechung bereits kontrovers diskutiert. Nunmehr hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 03.06.2020 (IV ZR 16/19) die insoweit ablehnenden Literaturstimmen bestätigt und festgestellt, dass bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Vereinbarung, die für den Fall des Todes eines Gesellschafters die Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs vorsieht, eine Schenkung i.S.v. § 2325 Abs. 1 BGB sein kann. Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass in solchen Fällen regelmäßig eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen sei, welche auch die schutzwürdigen Belange des Pflichtteilsberechtigten berücksichtige, und dass geprüft werden müsse, ob besondere Umstände vorliegen, welche die Annahme einer in dem Abfindungsausschluss liegenden Schenkung rechtfertigen könnten. Dies hat der BGH für den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt – eine zweigliedrige, vermögensverwaltende GbR, bejaht und dementsprechend eine ergänzungspflichtige Schenkung i.S.v. § 2325 Abs. 1 BGB angenommen. Der BGH sah es in dem entschiedenen Fall vor allem schon deshalb, weil es sich bei den Gesellschaftern um Ehegatten handelte, als erwiesen an, dass die abfindungsfreie Übertragung der Gesellschaftsanteile auf den jeweils überlebenden Ehegatten gerade der Zielsetzung des Erblassers entsprach. Entscheidend war aus Sicht des Gerichts darüber hinaus, dass die Gesellschaft allein der Wahrnehmung der Eigentümerposition von selbstgenutzten bzw. zu nicht marktgerechten Mietzins an Angehörige vermietete Wohnungen diente. Diese Aspekte gilt es also bei zukünftigen Nachfolgegestaltungen besonders zu berücksichtigen.

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