Zulassung von Infrastrukturvorhaben durch Gesetz – Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG)

Der Bundestag und der Bundesrat haben mit ihren Beschlüssen vom 31.01.2020 bzw. 14.02.2020 das Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz; m Folgenden: MgvG) verabschiedet. Das Gesetz regelt für konkret definierte Infrastrukturvorhaben u.a. eine Verlagerung der Entscheidungszuständigkeiten für Projektzulassungen von den Planfeststellungsbehörden auf den Gesetzgeber. Der vorliegende Beitrag beleuchtet in Grundzügen die wesentlichen Regelungsgehalte des MgvG sowie die Frage nach seiner Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht.

Wesentliche Regelungsgehalte

Sowohl der Koalitionsvertrag als auch das Klimaschutzprogramm der Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD sehen vor, das für die Realisierung von Verkehrsinfrastrukturprojekten erforderliche Baurecht durch den Erlass sogenannter Maßnahmengesetze zu schaffen. Durch Maßnahmengesetze werden im öffentlichen Interesse stehende (Groß-) Projekte im Interesse einer beschleunigten Vorhabenrealisierung nicht mehr durch eine behördliche Einzelfallentscheidung (Planfeststellung), sondern durch ein Gesetz des Bundestages zugelassen. Als Rechtsgrundlage für die Verabschiedung solcher Maßnahmengesetze dient nunmehr das MgvG, welches auf insgesamt sieben Schienenbau- und fünf Wasserstraßenbauprojekte Anwendung findet. Anhand ausgewählter Pilotprojekte soll das Instrument der Projektzulassung durch Gesetzbeschluss erprobt werden. Hierzu sieht das MgvG ein besonderes, bislang gesetzlich noch nicht geregeltes Vorbereitungsverfahren vor (§ 4 MgvG). Des Weiteren hat der Gesetzgeber neue Bestimmungen zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 5 MgvG), die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen (§ 6 MgvG) und besondere Maßgaben für das im Planfeststellungsverfahren durchzuführende Anhörungsverfahren (§ 7 MgVG) erlassen. Nach Abschluss des Anhörungsverfahrens erstellt die zuständige Behörde einen Abschlussbericht nebst Anlagen, der die Grundlage für die Entscheidung des Bundestages über die Vorhabenzulassung bildet (§ 8 MgVG). Als einzige Rechtsschutzmöglichkeit gegen ein vom Bundestag verabschiedetes Maßnahmengesetz können Betroffene Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.

Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

Bereits kurz nach seiner Verabschiedung hat das MgvG eine Diskussion über seine Vereinbarkeit mit unterschiedlichen Vorschriften des höherrangigen Rechts ausgelöst.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht wirft das MgvG zunächst die Frage nach der Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Legislative im Bereich der staatlichen Planung auf. Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Investitionsmaßnahmengesetzes zum Bau eines Abschnitts der Eisenbahnstrecke Berlin-Oebisfelde („Südumfahrung Stendal“) aus dem Jahr 1996 klargestellt, dass staatliche Planung nicht von vornherein einer der beiden Staatsgewalten eindeutig zugeordnet ist. Grundsätzlich obliege der Exekutive die Planvorbereitung, wohingegen das Parlament über Informations- und Kontrollrechte verfüge. Insoweit dürfe der Gesetzgeber auf Initiative und Vorbereitung durch die zuständigen Stellen der Exekutive (Regierung und Verwaltung) per Gesetz einen Plan beschließen, sofern die in Rede stehende Materie einer Regelung durch Gesetz zugänglich sei und sonstige verfassungsrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. Dieser Maßstab gelte auch bei der anlagenbezogenen Zulassung von Fachplanungsvorhaben. Zwar liege nach den einschlägigen Fachplanungsgesetzen die Zuständigkeit für die Entscheidung über einzelfallbezogene Fachplanungen aufgrund des hierzu benötigten Verwaltungsapparats und Sachverstands grundsätzlich bei den Behörden. Indes dürfe das Parlament durch Gesetz Entscheidungen über Fachplanungen an sich ziehen, wenn und soweit hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen. Dies sei etwa dann anzunehmen, wenn eine schnelle Verwirklichung eines bestimmten Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl sei. Hierbei stehe dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu (zum Vorstehenden siehe Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom 17.07.1996 – 2 BvF 2/93, Rn. 47 f., 51). 

Neben der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung wird das MgvG im Hinblick auf die grundgesetzlich gewährleistete Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) diskutiert. Der Grund hierfür ist, dass die Zulassung von Infrastrukturvorhaben durch Maßnahmengesetz zu einer Verkürzung der fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten von Betroffenen führt. Gegenüber behördlichen Planfeststellungsentscheidungen steht Enteignungsbetroffenen, anerkannten Umweltvereinigungen oder Gemeinden der Verwaltungsrechtsweg offen. Dagegen können Betroffene gegen durch Maßnahmengesetz erfolgte Projektzulassungen keinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Lediglich in Ausnahmefällen können Maßnahmengesetze, durch die die Zulassung von Infrastrukturvorhaben erfolgt, im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Hierbei kommt es zu einer Verschiebung des gerichtlichen Kontrollumfangs. Bei der Überprüfung eines Maßnahmengesetzes ist das Bundesverfassungsgericht nämlich auf die Verletzung von „spezifischem Verfassungsrecht“ beschränkt. Das bedeutet, dass Betroffene keine vollständige fachgerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung der durch Gesetz erfolgten Zulassungsentscheidung verlangen können. Das Maßnahmengesetz wird also – vereinfacht ausgedrückt – „nur“ auf seine Vereinbarkeit mit den materiellen Grundrechten des Betroffenen, nicht aber auf umfassend auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft. Dementsprechend fordert das Bundesverfassungsgericht für die Rechtfertigung einer solchen Rechtsschutzverkürzung „triftige Gründe“. Die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung muss mit erheblichen Nachteilen für das Allgemeinwohl verbunden sein, die eine gesetzliche Regelung zwingend erscheinen lassen (siehe im Hinblick auf die Eigentumsgarantie Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom 17.07.1996 – 2 BvF 2/93, Rn. 67). Vorhabenzulassungen durch Maßnahmengesetz sind auf daher spezifische Einzelprojekte beschränkt.

Über die Ebene des nationalen Verfassungsrechts hinaus wird die Vereinbarkeit des MgvG mit den inhaltlichen Vorgaben des Völker- und Unionsrechts diskutiert. Konkret angesprochen sind insoweit vor allem die Aarhus-Konvention sowie die UVP-Richtlinie. Beide Rechtsakte gewähren vorhabenbetroffenen Individualpersonen und Vereinigungen im Wesentlichen Beteiligungs- und Einwendungsmöglichkeiten auf der Ebene des Zulassungsverfahrens sowie Klagerechte im nachgelagerten Gerichtsverfahren. Diese Schutzgehalte werden durch die Verlagerung der Entscheidungskompetenzen für Projektzulassungen auf den Gesetzgeber verkürzt.

Ausblick

Der Gesetzgeber verspricht sich durch das von ihm erlassene MgvG Erkenntnisse zu der Frage, inwieweit die Zulassung von Projekten durch Maßnahmengesetze zu einer Akzeptanzerhöhung für umweltrelevante (Groß-)Vorhaben in der Bevölkerung und damit letztlich zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen. Eine substantielle Beseitigung des vielfach monierten „Projektstaus“ bei der Zulassung von Infrastrukturprojekten lässt das auf Pilotvorhaben beschränkte MgvG indes nicht erwarten. Selbst bei positiven Erfahrungen wären nämlich einer etwaigen Ausweitung von Projektzulassungen durch Maßnahmengesetz ungeachtet etwaiger Anforderungen des Völker- und Unionsrechts jedenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen Grenzen gesetzt. Insoweit geht der Gesetzgeber im Hinblick auf die vom MgvG erfassten Projekte von der Vereinbarkeit des Gesetzes mit sämtlichen Anforderungen des Grundgesetzes, des Völker- und Unionsrechts aus. Für eine maßvolle Ausweitung des Instruments des Maßnahmengesetzes auf weitere Infrastrukturvorhaben müsste der Gesetzgeber eine erneute Beurteilung der Rechtslage vornehmen, die den hier skizzierten Anforderungen inhaltlich Rechnung tragen muss.

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