Zum Eigenlob gezwungen - Die neue CSR-Berichtspflicht für Konzerne trifft auch den Mittelstand

Die EU macht Nachhaltigkeit zur Rechtspflicht. Gesellschaftlich nützliches Verhalten in der Wirtschaft wie langfristige Rentabilität, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz soll auf dem Umweg über das Berichtswesen in den Unternehmen erreicht werden. Die müssen ab kommendem Jahr rechtlich verbindliche Angaben zur Corporate Social Responsibility machen. Diese CSR-Berichte sind Teil des Lageberichts und damit öffentlich einsehbar, und das erzeugt Druck, so die dahinter stehende Erwartung der EU-Richtlinie. Das ist ein pfiffiger Steuerungsansatz, denn direkte Verpflichtungen ließen sich nicht so leicht festlegen. Aus rechtlicher Sicht wäre dafür eine konkrete Verantwortung der Unternehmen notwendig, und die ist diskutabel. Gesamtgesellschaftliche Zwecke gehen zunächst die Gesellschaft als Ganzes an und nicht nur Einige.

Die neue CSR-Berichtspflicht muss nach Europarecht bis Anfang Dezember im CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz verabschiedet sein und gilt ab 2017. Sie betrifft unmittelbar nur Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von 20 Millionen Euro, alternativ 40 Millionen Euro Umsatzerlösen, und auch diese nur, wenn sie kapitalmarktorientiert sind. Dabei wird es absehbar aber nicht bleiben. Die vom neuen Gesetz direkt erfassten Unternehmen müssen nämlich auch darüber berichten, wie es mit Nachhaltigkeit und Geschäftsethik bei ihren Zulieferern aussieht – und werden daran gemessen werden.

In der Praxis wird das dazu führen, dass auch Mittelständler verbindliche CSR-Berichte erstellen müssen, selbst wenn diese nach dem Gesetz nicht selbst berichtspflichtig sind. Der deutsche Gesetzgeber ist aber an die europäische Grundsatzentscheidung in der Richtlinie gebunden. Das Gesetz versucht es mit einem Appell an die Großunternehmen, eine „Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzung“ vorzunehmen und bittet diese ausdrücklich um Mäßigung.

Aber die direkt betroffenen Unternehmen werden sich lieber zuarbeiten lassen anstatt nachträglich zu  diskutieren, ob Angaben „von Bedeutung“ in ihren Berichten fehlen oder sie ihre Zulieferer gar aus sachfremden Gründen verschont haben.  Sie werden die Risiken so weit wie möglich weitergeben, die mit den interpretationsbedürftigen Gesetzesformulierungen verbunden sind.

Auch beim Inhalt der CSR-Erklärung bleibt der Gesetzgeber vage. Der Gesetzentwurf verlangt mindestens einen Bericht über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung im In- und Ausland. Was genau die Unternehmen zu diesen Themen schreiben sollen, wird aber nicht genau vorgegeben, sondern in Beispielsform genannt. So können Betriebe darstellen, welche Konzepte und Maßnahmen sie etwa zur Reduzierung des Wasser- und Energieverbrauchs oder möglicher Bodenbelastungen planen oder umgesetzt haben. Geschlechtergleichstellung, Arbeitsbedingungen, die Achtung von Gewerkschaftsrechten oder Krankheits- und Fluktuationsraten in den Betrieben gehören ebenfalls zu den im Gesetzentwurf angesprochenen möglichen Inhalten von CSR-Berichten. Das alles soll aber nicht abschließend gemeint sein.

Ein klarer Handlungsrahmen ist das absichtlich nicht. In einer Art pädagogischem Ansatz will der Gesetzgeber Unternehmen „bewegen, ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen“.

Diese Strategie führt erst einmal zu Unsicherheiten für die Unternehmen, die nun selbst abschätzen müssen, wie sie die gesetzliche Berichtspflicht erfüllen und dabei Vertraulichkeit von Betriebsinterna am besten wahren. Klar ist aber, dass die Organisation des CSR-Berichtswesens in den Betrieben zusätzlichen Aufwand und Kosten verursachen wird. Großunternehmen müssen nach schon kursierenden Schätzungen für einen CSR-Report zwischen 155.000 und 600.000 Euro aufwenden. Bei den kleineren Zulieferern wird der Aufwand in der Regel niedriger sein, aber: Zum Nulltarif sind die neuen Angaben nicht zu haben.

Unternehmen, die als Zulieferer Teil der Lieferkette sind, dürften ihre Großkunden nämlich kaum mit wenigen, eher unverbindlichen Standardaussagen bedienen können. Sie müssen sich vielmehr darauf einstellen, dass ihre jeweiligen Kunden unterschiedliche Fragen stellen und verschiedene Themen in ihren CSR-Berichten bearbeiten werden. Das Gesetz sieht diese Freiheit ja ausdrücklich vor. Der Mittelstand ist daher gut beraten, nicht erst abzuwarten, bis Berichtsanfragen von ihren Großkunden womöglich kurzfristig in den Betrieben eintreffen. Um den eigenen Aufwand vertretbar zu halten, sollten Mittelständler besser proaktiv gemeinsam mit ihren Kunden frühzeitig einheitliche Vorgehensweisen abstimmen.

Was in einem CSR-Bericht steht, ist faktisch für jeden Wettbewerber, Kunden und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich. Das verlangt Sorgfalt, kann aber auch eine Chance sein. Mittelständler, die sich auf besondere Weise für gute Arbeitsbedingungen, eine ressourcenschonende Produktion oder umweltfreundliche Produkte einsetzen, können ihr Engagement nun offiziell im CSR-Report ihrer großen Kunden überprüfbar feststellen lassen. Die CSR-Berichtspflicht führt also auch dazu, dass Unternehmen demnächst nicht mehr anders als etwas unbescheiden über Gutes reden können, das sie tun.

Zu den genannten Kosten siehe http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/neue-berichtspflichten-arbeitgeber-fuerchten-riesigen-mehraufwand/14585778-2.html

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