Zum Geoblocking beim Online-Vertrieb

Durch sog. Geoblocking wird der Zugang zu Internetseiten aufgrund der jeweiligen IP-Adresse des Nutzers gesperrt und der Nutzer ggf. auf eine andere Website umgeleitet. Dieses Verfahren dient dazu, zu verhindern, dass Nutzer im Internet Waren oder Dienstleistungen auf Seiten erwerben, die von dem jeweiligen Anbieter nicht für Nutzer außerhalb eines Gebietes oder nicht für Nutzer in einem bestimmten Gebiet "vorgesehen" sind. Hierdurch können insbesondere unterschiedliche Preisniveaus festgelegt und der markeninterne Wettbewerb beschränkt werden.

Rechtlicher Hintergrund

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben im Jahr 2018 die Verordnung Nr. 2018/302 erlassen, die sich mit der Diskriminierung aufgrund von Staatsangehörigkeit, des Wohnsitz oder des Ortes der Niederlassung der Kunden beim Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen befasst. Durch Art. 3 der im Dezember 2018 in Kraft getretenen Verordnung wird insbesondere Geoblocking untersagt. Erfasst werden durch die Verordnung einseitige Verhaltensweisen.

In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erlass der Verordnung hat sich die Europäische Kommission im Rahmen der Guess-Entscheidung vom 17. Dezember 2018 (Case AT.40428) mit der Konstellation befasst, dass ein Anbieter von Waren Händlern vertraglich untersagt, die Waren im Online-Handel außerhalb des ihnen zugewiesenen Gebiets zu vertreiben. EU-Wettbewerbskommissarin Vestager sah in der Entscheidung eine Ergänzung der VO Nr. 2018/302.

Sachverhalt

Der Hersteller von Kleidung der Marke Guess? vertreibt seine Produkte im gemeinsamen Markt teils über eigene Niederlassungen, teils aber auch über unabhängige Händler im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems. Im Rahmen dieses Vertriebssystems unterwarf Guess? die Händler einer Reihe von Beschränkungen im Vertrieb. Eine davon war, dass die Händler, sofern ihnen der Online-Vertrieb überhaupt gestattet wurde, Produkte nur innerhalb des ihnen zugestandenen Gebiets vertreiben durften. Diese Gebiete entsprechen meist den Territorien der Mitgliedstaaten. Auf diese Weise zwang Guess? die Händler zu Maßnahmen des Geoblocking.

Rechtliche Ausführungen

Die rechtlichen Ausführungen der Kommission zur Beschränkung des Vertriebs außerhalb des zugewiesenen Gebiets sind recht kurz. Die Tatbestandsmerkmale des Kartellverstoßes nach Art. 101 Abs. 1 AEUV durch die Beschränkung des grenzüberschreitenden Handels bejahte die Kommission mit nur geringen Aufwand.

Eine Freistellung kam nach Auffassung der Kommission nicht in Betracht, insbesondere weil die Beschränkungen eine Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO begründeten. Zum einen handelt es sich bei dem Vertriebssystem von Guess? um ein selektives Vertriebssystem im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. e Vertikal-GVO, weil Guess? sich verpflichtete, im Rahmen des Vertriebs nur nach festgelegten Merkmalen ausgewählte Händler einzusetzen und die Händler sich verpflichten, die Produkte nicht an Händler außerhalb des Vertriebssystems weiterzuverkaufen. Zum anderen wurde durch die Vorgabe des Geoblockings im Onlinehandel der passive Handel der Einzelhändler beschränkt im Sinne des Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO.

Würdigung

Die Entscheidung ist ein musterhaftes Anwendungsbeispiel des Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO. Im Rahmen selektiver Vertriebssysteme stellt auch die Vereinbarung von Maßnahmen des Geoblockings zwischen dem Hersteller und den Händlern eine Kernbeschränkung dar. Umgekehrt wird durch die Entscheidung klargestellt, dass Geoblocking über den Anwendungsbereich der VO Nr. 2018/302 hinaus auch untersagt ist, wenn es auf einer abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne des Kartellverbots beruht.

Zu ergänzen ist an dieser Stelle, dass derartige Vertriebsbeschränkungen gegenüber dem Händler ebenso eine Kernbeschränkung begründen, wenn der Hersteller kein selektives Vertriebssystem unterhält. Da der Unterhalt einer Website zu Verkaufszwecken eine Form des passiven Vertriebs ist, wird durch eine entsprechende Beschränkung zugleich der Tatbestand des Art. 4 Buchst. b Vertikal-GVO erfüllt.

Die gesamte Problematik besteht in derselben Weise im Anwendungsbereich § 1 GWB.

Sanktionen

Unbedingt zu beachten sind die ungleich höheren Sanktionen im Bereich abgestimmter Verhaltensweisen. Geoblocking im Sinne der Verordnung als einseitige Maßnahme ist eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 149 Abs. 1c Nr. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) und kann nach § 149 Abs. 2 TKG immerhin mit einem Bußgeld von bis zu EUR 300.000 bebußt werden. Im Fall auf Geoblocking gerichteter vertikaler Beschränkungen, die gegen das Kartellverbot verstoßen, richtet sich der Bußgeldrahmen entsprechend nach Art. 23 Abs. 2 Verordnung Nr. 1/2003 bzw. § 81 Abs. 4 GWB, sodass das Bußgeld bis zu 10% des weltweiten Jahresumsatzes betragen kann. Im Fall von Guess? wurde das Bußgeld auf satte EUR 40 Mio. festgesetzt. Zudem drohen Schadensersatzansprüche nach §§ 33a ff. GWB.

Darüber hinaus ist von nicht unerheblicher Bedeutung, dass Kernbeschränkungen im Sinne des Art. 4 Vertikal-GVO auch die Freistellungsfähigkeit auch anderer Wettbewerbsbeschränkungen nach der Vertikal-GVO beseitigen, wie z.B. Alleinvertriebsvereinbarungen. Somit droht die Nichtigkeit des gesamten Händlervertrags nach Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 134 BGB.

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