Zur Erhebung einer aktienrechtlichen Unterlassungsklage

Mit Urteil vom 07.05.2019 (Az.: II ZR 278/16) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine aktienrechtliche Unterlassungsklage ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist. Damit führte der BGH sein Urteil vom 10.07.2018 (Az.: II ZR 120/16) fort, wonach die Klage eines Aktionärs auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsbeschlusses zur Ausübung der Ermächtigung zu einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss zwar nicht der Monatsfrist entsprechend § 246 Abs. 1 AktG unterliegt, aber ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist.

Der amtliche Leitsatz der aktuellen Entscheidung lautet wie folgt:

Eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will, ist ohne unangemessene Verzögerung zu erheben.

Worum ging es (vereinfacht)?

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Mit Beschluss vom 06.05.2013 ermächtigte die Hauptversammlung den Vorstand der Beklagten, mit Zustimmung des Aufsichtsrats Wandelschuldverschreibungen auszugeben, die den Aktionären zum Bezug anzubieten waren. In dem Beschluss war unter anderem geregelt, dass der Wandlungspreis aufgrund einer Verwässerungsschutzklausel ermäßigt werden kann, wenn die Gesellschaft während der Options- bzw. Wandlungsfrist unter Einräumung eines ausschließlichen Bezugsrechts an ihre Aktionäre das Grundkapital erhöht oder eigene Aktien veräußert.

Der Vorstand der Beklagten beschloss mit Zustimmung des Aufsichtsrats am 03.12.2013 die Ausgabe von 25 zinslosen Teilwandelschuldverschreibungen im Nennbetrag von jeweils 107.000 €. Die am 04.12.2013 auf der Homepage der Beklagten und im Bundesanzeiger veröffentlichten Anleihebedingungen sahen vor, dass die Anleihegläubiger im Fall der Wandlung 107.000 Stückaktien zu einem Preis von 5,87 € je Aktie erwerben konnten. Der Verwässerungsschutz der Gläubiger war dahin geregelt, dass "im Fall einer oder mehrerer Barkapitalerhöhungen (mit oder ohne Bezugsrecht)“ der Wandlungspreis automatisch gemäß den Bestimmungen der Anleihebedingungen herabgesetzt wird.

Im Dezember 2013 veröffentlichte die Beklagte die vollständige Platzierung der Wandelschuldverschreibungen. Im Oktober 2014 nahm die Beklagte eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 1.351.089 neuen Aktien zum Preis von 3,08 € pro Aktie vor. Die Aktienausgabe erfolgte unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, was die Beklagte im Oktober 2014 durch eine Ad-hoc-Mitteilung bekannt gab. Im November 2014 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Homepage, dass sich aufgrund der Ausgabe neuer Aktien der Wandlungspreis auf 3,08 € reduziere.

Der Kläger, der Aktionär der Beklagten ist, hat mit seiner Ende März 2015 eingereichten Klage u.a. beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, aufgrund von Wandlungserklärungen der Anleihegläubiger neue Aktien zu einem Preis von weniger als 5,87 € je Aktie zu begeben.

Die Entscheidung des BGH

Das Unterlassungsbegehren ist laut dem BGH unbegründet, weil der Kläger mit der Klageerhebung zu lange zugewartet habe.

Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsbeschlusses zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss hat der BGH (Urteil vom 10.07.2018, Az.: II ZR 120/16) bereits geklärt, dass diese ohne unangemessene Verzögerung und mit der dem Aktionär zumutbaren Beschleunigung zu erheben ist. Der für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit zu berücksichtigende Zeitraum beginne, wenn der Aktionär den Beschluss des Vorstands oder Aufsichtsrats sowie die eine Nichtigkeit aus seiner Sicht nahelegenden Umstände kennt oder kennen muss. Ferner sei dem Aktionär eine Klageerhebung nicht zumutbar, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt. Vor der gebotenen Nachberichterstattung über die Kapitalerhöhung hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, wann der Aktionär die ein pflichtwidriges Organhandeln aus seiner Sicht nahelegenden Umstände kannte oder kennen musste. Jeweils im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei auch zu beurteilen, ob eine unangemessene Verzögerung vorliege.

Diese Grundsätze sollen laut dem BGH auch für eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will, gelten.

Der BGH habe mit diesen Grundsätzen seine Rechtsprechung zu Aktionärsklagen konkretisiert, mit denen die Rechtswidrigkeit und daraus folgende Nichtigkeit von Kapitalerhöhungsbeschlüssen mit Bezugsrechtsausschluss des Vorstands und Aufsichtsrats gegen die Aktiengesellschaft geltend gemacht werden kann. Diese Rechtsprechung betreffe einen Ausschnitt des verbandsrechtlichen Anspruchs des Aktionärs darauf, dass die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterlässt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt. Bezüglich dieses Anspruchs habe der BGH bereits früher ausgeführt, dass er auch als auf Unterlassung oder Wiederherstellung gerichteter Leistungsanspruch innerhalb einer Frist klageweise geltend zu machen ist, die zu der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht außer Verhältnis steht. Aus der Rechtsprechung des BGH werde auch deutlich, dass Aktionäre bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln ihre Rechte generell nicht unter Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Gesellschaft missbräuchlich ausüben dürfen, weswegen ein solcher Anspruch ohne unangemessene Verzögerung geltend zu machen sei.

Letztlich ergebe sich aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft, dass auch die Unterlassungsklage ohne unangemessene Verzögerung erhoben werden muss. Während die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsbeschlusses die Wirksamkeit der durchgeführten Kapitalmaßnahme nicht berühre, könne die Unterlassungsklage zu einer Blockade angestrebter Veränderungen führen.  Das Interesse der Gesellschaft, schnell Rechtssicherheit zu erhalten, sei jedenfalls nicht weniger schutzwürdig als bei einer Feststellungsklage, die ähnlich einer Fortsetzungsfeststellungklage im Wesentlichen lediglich der Vorbereitung möglicher Schadensersatz- und sonstiger Ansprüche des Aktionärs diene.

Eine Klageerhebung sei dem Kläger danach jedenfalls im November 2014 zumutbar gewesen. Zwar habe der Kläger die Erhebung der Klage noch nicht schon unangemessen verzögert, wenn er nicht alsbald nach dem Beschluss des Vorstands vom 03.12.2013 eine Klage einreichte. Im Hinblick darauf, dass der Beschluss des Vorstands vom 03.12.2013 im Ergebnis erst dann zu einer Abweichung vom Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung und einer Beeinträchtigung seiner Aktionärsrechte geführt habe, wenn das Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre erhöht wurde, habe er zunächst noch darauf bauen können, dass der Vorstand den fehlerhaften Beschluss vom 03.12.2013 insoweit nicht umsetzte und das Kapital allenfalls unter Bezugsrecht der Aktionäre erhöhen würde.

Er hätte die Klage dann aber unverzüglich erheben müssen, nachdem die Beklagte das Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre erhöhte und er davon Kenntnis erlangen konnte. Mitte Oktober 2014 hat die Beklagte bekannt gegeben, dass sie neue Aktien unter Bezugsrechtsausschluss zu einem Preis von 3,08 € ausgebe. Die Beklagte hat die daraufhin erfolgte Anpassung des Wandlungspreises zudem im November 2014 auf ihrer Homepage veröffentlicht. Damit musste dem Kläger die aus seiner Sicht drohende Verwässerung seiner Beteiligung bekannt sein. Die Klageeinreichung erst im März 2015 sei damit zu spät gewesen.

Die Bedeutung für die Praxis

In Fortführung seines Urteils vom 10.07.2018 stellt der BGH klar, dass neben einer Feststellungsklage bezüglich der Nichtigkeit eines Verwaltungsbeschlusses zur Ausübung der Ermächtigung zu einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss auch eine Unterlassungsklage im Hinblick auf einen Eingriff in Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist.

Auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von § 246 Abs. 1 AktG sind Aktionäre daher gut beraten, ihre Ansprüche so schnell wie möglich nach Bekanntwerden eines etwaigen Rechtsverstoßes geltend zu machen. Andernfalls droht wie im vorliegenden Fall Klageabweisung wegen verspäteter Klageerhebung.

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