Zur Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft in Eigenverwaltung

 

Der BGH hat kürzlich entschieden (BGH Urteil vom 26.04.2018 - IX ZR 238/17), dass die Geschäftsführer bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung unter entsprechender Anwendung der §§ 61, 60 InsO gegenüber Dritten für die Begründung von Masseverbindlichkeiten haften, die aus der Insolvenzmasse nicht befriedigt werden können.

Worum ging es?

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen Forderungsausfalls auf Schadensersatz in Höhe von EUR 87.120,49 in Anspruch. Die Klägerin handelte mit Bekleidungsartikeln. Der Beklagte wurde mit Wirkung zum 17.09.2014 zum Geschäftsführer einer GmbH gerufen. Die GmbH war die Komplementärin innerhalb einer GmbH & Co. KG, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet wurde. Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren im Anschluss an die (rechtskräftige) Bestätigung des Insolvenzplans auf. Noch während des Insolvenzverfahrens bestellte die KG bei der Klägerin Waren, die vereinbarungsgemäß erst nach der Verfahrensaufhebung geliefert wurden. Die hieraus erwachsenden Verbindlichkeiten erfüllte die KG jedoch nicht. Aufgrund eines Eigenantrags, der inzwischen in eine GmbH umfirmierten Insolvenzschuldnerin, wurde kurz darauf erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin nahm den Beklagten daraufhin auf Ersatz ihres Forderungsausfallschadens in Höhe von EUR 87.120,49 in Anspruch.

Entscheidung der Vorinstanz

Die Vorinstanz (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.09.2017 - I 16 U 33/17) lehnte eine Haftung des Beklagten unter entsprechender Anwendung der §§ 60, 61 InsO mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung seien nicht gegeben, da keine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf die Haftung des Sanierungsgeschäftsführers vorläge. Der Gesetzgeber habe die grundsätzliche Problematik der Haftung in der Eigenverwaltung gesehen; jedoch in § 274 InsO lediglich eine auf § 60 InsO begrenzte Haftung des Sachwalters statuiert. Nach § 61 InsO ist der Insolvenzverwalter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch seine Rechtshandlung entstanden ist, nicht erfüllt werden kann. § 274 InsO ordnet eine entsprechende Anwendung des § 60 InsO auf den Sachwalter an, sodass sich der Sachwalter in der Eigenverwaltung auch wegen Verstoßes gegen insolvenzrechtliche Bestimmungen haftbar machen kann. Die Nichtanwendung des § 61 InsO auf den Sachwalter sei dadurch gerechtfertigt, dass der Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibe und bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten grundsätzlich frei sei, sodass den Sachwalter keine Mitverantwortung treffe. Angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausdrücklich auf den Insolvenzverwalter und Sachwalter begrenzten Haftung, ergebe sich nicht, dass planwidrig eine Haftung des (Sanierungs-) Geschäftsführers einer die Eigenverwaltung durchführenden GmbH übersehen wurde.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die Haftungsnorm des § 61 InsO - ebenso wie die des § 60 InsO - in der Eigenverwaltung einer juristischen Person analog auf deren vertretungsberechtigten Geschäftsleiter angewendet werden könne. Den Anknüpfungspunkt für eine planwidrige Regelungslücke sah der BGH in § 270 Abs.1 S. 2 InsO, welcher auf §§ 60, 61 InsO verweist. Die Verweisung des § 270 Abs. 1 InsO erfasse jedoch die Organe des Schuldners nicht unmittelbar. Eine auf die schuldnerische Gesellschaft beschränkte Anwendbarkeit der §§ 60, 61 InsO sei jedoch weitgehend bedeutungslos, da diese ohnehin für Pflichtverletzungen ihrer Organe einzustehen habe.

Zusammenfassung und Fazit

Der Geschäftsführer haftet den Massegläubigern, wenn Masseverbindlichkeiten eingegangen wurden, die nicht durch die vorhandene Insolvenzmasse befriedigt werden können. Da der Geschäftsführer eines insolventen Unternehmens in Bezug auf diese Verbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen haftet, sollte sichergestellt sein, dass auch Ansprüche aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 60, 61 InsO - für den Fall der Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung - vom Schutzumfang der jeweiligen D&O-Versicherung abgedeckt sind.

 

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