Zur Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz II

Mit Beitrag vom 17.02.2021 hatten wir bereits auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.12.2020 (Az.: II ZR 108/19) zur Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz hingewiesen. Danach besteht die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§ 171, 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB bei Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es dabei nicht an.

In einem aktuellen Urteil vom 09.02.2021 (Az.: II ZR 28/20) hat der BGH nunmehr in einer anders gelagerten Konstellation erneut zur Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz Stellung bezogen.

Worum ging es?

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer KG, über deren Vermögen mit Beschluss vom 07.11.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte, der mit einer Einlage in Höhe 55.000,00 € als Kommanditist an der KG beteiligt ist, erhielt in den Jahren 2003 bis 2007 nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 24.750,00 €, deren Rückzahlung der Kläger unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage verlangt. Dabei ist fraglich, ob das von dem Beklagten Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden überhaupt erforderlich ist.

Die Entscheidung des BGH

Der amtliche Leitsatz lautet wie folgt:

Bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, sind nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt.

Die Deckung von bestrittenen Forderungen könne erforderlich sein, weil der gegen sie erhobene Widerspruch durch eine Feststellungsklage (§ 179 InsO) beseitigt werden könne. Zwar bringe der Insolvenzverwalter mit seinem Widerspruch zum Ausdruck, dass er die angemeldete Forderung nach der ihm obliegenden sorgfältigen Prüfung für unberechtigt hält. Insofern setze er sich dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) aus, wenn er gleichwohl eine Inanspruchnahme des Kommanditisten wegen dieser von ihm bestrittenen Forderung geltend macht. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung noch durch eine Feststellungsklage beseitigt wird. In diesem Fall sei der Insolvenzverwalter berechtigt, den Kommanditisten vorsorglich auch zur Bildung angemessener Rückstellungen für von ihm bestrittene Forderungen in Anspruch zu nehmen, sofern eine Haftung des Kommanditisten nicht bereits aus Rechtsgründen ausscheidet.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen der bestrittenen Forderung noch ernsthaft in Betracht kommt, obliege dem Insolvenzverwalter. Dieser habe grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern, für die der Kommanditist haftet, mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen. Stützt er sich hierbei auf eine von ihm bestrittene Forderung, habe er substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen trotz seines Widerspruchs noch mit einer Feststellung der Forderung zur Tabelle gerechnet werden muss und daher vorsorglich auch insoweit noch eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Bildung von Rückstellungen erforderlich erscheint. Das könne etwa dann auszuschließen sein, wenn nach der Lebenserfahrung keine Inanspruchnahme der Masse mehr droht, weil der Bestand der angemeldeten Forderung rechtlich zweifelhaft ist, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und keiner der betreffenden Gläubiger eine Feststellungsklage erhoben hat, oder wenn es sich bei den bestrittenen Insolvenzforderungen um eine Vielzahl, auf vergleichbarem Sachverhalt beruhenden Forderungen mehrerer Insolvenzgläubiger handelt, der Insolvenzverwalter sämtlichen dieser angemeldeten Forderungen widersprochen hat, ein – nicht notwendig das Insolvenzverfahren betreffender – Musterprozess über die Feststellung einer solchen Insolvenzforderung rechtskräftig verloren gegangen und der rechtliche Bestand der Insolvenzforderungen erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

Da hierzu von dem Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen wurden, hat der BGH die Sache zurückverwiesen, um den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zur Berücksichtigungsfähigkeit der bestrittenen Forderungen zu geben.

Fazit

Mit der aktuellen Entscheidung stellt der BGH klar, dass grundsätzlich den Kommanditisten die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand trifft, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden nicht erforderlich ist. Allerdings obliegt dem Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse. In diesem Zusammenhang sind nunmehr auch bestrittene Forderungen zu berücksichtigen, „sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt“. Der BGH nennt dabei einige Negativbeispiele, wann eine erfolgreiche Inanspruchnahme ausgeschlossen werden kann. Ob und bejahendenfalls, in welchen weiteren Konstellationen der BGH dies gleichermaßen annehmen wird, bleibt abzuwarten.