Zur Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz

Mit Urteil vom 15.12.2020 (Az.: II ZR 108/19) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung entschieden, dass auch die Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen zu beschränken und § 128 HGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist. Zugleich stellt er jedoch – so auch der amtliche Leitsatz der Entscheidung – wie folgt fest:

Die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§ 171, 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB besteht bei Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es dabei nicht an.

Worum ging es (vereinfacht)?

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 21. November 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH & Co. KG, einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin).

Der Beklagte, der mit einer Einlage von 306.775,13 € als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt war, erhielt in den Jahren 1999 bis 2007 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 184.065,08 €. Dabei war sein Kapitalanteil im Zeitpunkt der Ausschüttungen jeweils durch Verluste unter den Betrag seiner Haftsumme herabgemindert. Hiervon zahlte der Beklagte 153.387,56 € an die Schuldnerin zurück.

Der Kläger nimmt den Beklagten nunmehr unter anderem aus der Außenhaftung als Kommanditist nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB auf Zahlung der noch offenen Differenz von 30.677,52 € in Anspruch.

Die Erwägungen des BGH (auszugsweise)

Der Beklagte hafte als Kommanditist im Rahmen der § 171 Abs. 1 Halbsatz 1, § 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB grundsätzlich persönlich unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. In der Insolvenz der Gesellschaft sei der Umfang dieser Haftung jedoch aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen zu beschränken. Insoweit sei eine teleologische Reduktion der Haftung aus § 128 HGB geboten.

Im Regelinsolvenzverfahren verliere der Gesellschafter mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Einfluss auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen, an einen Gesellschaftsfremden. Dessen Verwaltung habe zudem vorrangig im Interesse der Gesellschaftsgläubiger und nicht der Gesellschafter zu erfolgen. Die Stellung des Gesellschafters weise nach der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens insoweit eine gewisse Ähnlichkeit mit derjenigen eines aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters auf, der ebenfalls keinen weiteren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und nicht von den Gegenleistungen oder sonstigen Erträgen profitieren könne. Für den ausgeschiedenen Gesellschafter habe der Gesetzgeber mit § 160 HGB aus diesem Grund eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf Altverbindlichkeiten, zudem noch mit zeitlicher Beschränkung auf fünf Jahre, eingeführt.

Die insoweit vergleichbare Situation des Gesellschafters bei Insolvenz der Gesellschaft spreche dafür, den Umfang seiner Haftung ebenfalls durch eine teleologische Reduktion des § 128 HGB zu beschränken. Andernfalls würde man den Gesellschafter unbeschränkt, d.h. möglicherweise auch bei einer jahrelangen Firmenfortführung, für sämtliche durch den Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten haften lassen, auf deren Entstehung er keinen Einfluss mehr nehmen konnte und die nicht in seinem, sondern im Gläubigerinteresse eingegangen wurden.

Die dagegen in der Literatur erhobenen Einwände, dass die persönliche Gesellschafterhaftung grundsätzlich nicht an die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis geknüpft sei und zudem auf der fehlenden Kapitalsicherung beruhe, gäben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Dagegen spreche, dass der Gesetzgeber auch bei § 160 HGB ungeachtet der fehlenden Anknüpfung der persönlichen Haftung an die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis und des Fehlens von Kapitalerhaltungsregeln aufgrund der mit dem Ausscheiden veränderten Interessenlage eine entsprechende Haftungsbeschränkung für geboten erachtet habe. Wie oben bereits dargelegt, sei die Situation des Gesellschafters in der Insolvenz derjenigen eines ausgeschiedenen Gesellschafters hinsichtlich des Verlusts der Möglichkeit, Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu nehmen und von den Erträgen der Gesellschaft zu profitieren, vergleichbar. Zutreffend sei, dass die persönliche Haftung des Gesellschafters auch auf der fehlenden Sicherung des Kapitals der Gesellschaft, das seinem Zugriff jederzeit uneingeschränkt und sanktionslos offenstehe, beruhe und die persönliche Haftung damit unmittelbar auch dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger diene. Ebenso wie der ausgeschiedene Gesellschafter verliere der Gesellschafter in der Regelinsolvenz der Personenhandelsgesellschaft aber seine bisherige Zugriffsmöglichkeit auf das "ungeschützte" Gesellschaftskapital.

Diese Erwägungen gelten laut BGH entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auch für Kommanditisten. Nach dieser Auffassung sei eine Beschränkung der persönlichen Haftung in der Insolvenz bei Kommanditisten nicht angezeigt. Die Außenhaftung des Kommanditisten solle nur die Einlageforderung der Gesellschaft durchsetzen und die Insolvenz mit ihren Kosten gehöre zu dem Risiko, zu dem der Kommanditist mit seiner Hafteinlage beizutragen versprochen habe. Da er ohnehin einflusslos sei und nur beschränkt hafte, könne der Wegfall der Verfügungsbefugnis seiner Haftung, anders als bei einem Komplementär, nicht die teleologische Grundlage entziehen.

Dem sei – trotz der Unterschiede zwischen der Rechtsstellung des persönlich haftenden Gesellschafters und des Kommanditisten – mit der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht zu folgen. Die Außenhaftung des Kommanditisten sei nicht nur ein Hilfsmittel zur Durchsetzung der gesellschaftsvertraglich geschuldeten Pflichteinlage, sondern diene ebenso wie die persönliche Haftung eines Gesellschafters nach § 128 HGB der Sicherung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger. Mit der Außenhaftung des Kommanditisten werde sichergestellt, dass dem Gläubiger der Gesellschaft, wenn der entsprechende Betrag nicht durch die geleistete Einlage gedeckt ist, in Höhe der Haftsumme ein Schuldner in Person des Kommanditisten zur Verfügung stehe. In der Insolvenz solle die dem Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB und § 93 InsO übertragene Befugnis gerade auch eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger für ihre Forderungen durch treuhänderische Einziehung der Außenhaftung gewährleisten.

Dass der Kommanditist anders als der persönlich haftende Gesellschafter gesetzlich von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist (§§ 164, 170 HGB), d.h. insoweit bereits vor der Insolvenz keinen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft nehmen kann, gebe – wie oben bereits ausgeführt – keinen Anlass zu einer Unterscheidung, da dies auch für die Haftungsbeschränkung des § 160 HGB nicht maßgeblich sei. Außerdem stünden auch einem Kommanditisten in gewissem Umfang gesellschaftsrechtliche Mitbestimmungsrechte zu, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfielen. Zudem sei auch bei ihm zu berücksichtigen, dass nicht mehr der persönlich haftende Gesellschafter, dem er vertraglich eine Verpflichtungsbefugnis (im Rahmen seiner Haftung nach §§ 171, 172 HGB) eingeräumt habe, zur Verwaltung des Gesellschaftsvermögens befugt sei, sondern ein gesellschaftsfremder Dritter. Im Fall der Doppelinsolvenz werde er darüber hinaus auch im Insolvenzverfahren nicht mehr von dem persönlich haftenden Gesellschafter vertreten. Dass die Haftung des Kommanditisten von vorneherein auf die Höhe der Haftsumme beschränkt ist, rechtfertige es nicht, ihn im Fall der Insolvenz der Gesellschaft einer weitergehenden Haftung zu unterwerfen als den nach § 128 HGB grundsätzlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter, zumal ihm auch im Fall des Ausscheidens über § 161 Abs. 2 HGB die Haftungsbeschränkung des § 160 HGB zugutekomme.

Diese Einschränkung der persönlichen Haftung nach § 128 HGB sei indes – anders als im Schrifttum vertreten – nicht danach vorzunehmen, wie die betreffende Gläubigerforderung insolvenzrechtlich einzuordnen ist. Die Einordnung eines Anspruchs als Masseverbindlichkeit folge keinem einheitlichen Wertungsgedanken, sondern beruhe auf unterschiedlichen Gründen.

In welchem Umfang danach aus gesellschaftsrechtlichen Gründen die Haftung der Gesellschafter im Insolvenzverfahren zu beschränken sei, bedürfe im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Jedenfalls würden die Gesellschafter für Verbindlichkeiten unabhängig von ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung haften, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Da die Beschränkung der persönlichen Gesellschafterhaftung in der Regelinsolvenz der Gesellschaft auch auf der einem ausgeschiedenen Gesellschafter ähnlichen Interessenlage beruhe, müsse die persönliche Haftung auch in der Insolvenz jedenfalls die Verbindlichkeiten umfassen, für die auch ein ausgeschiedener Gesellschafter nach § 160 HGB noch haften müsste.

Zusammenfassung

Der BGH hat in dem Urteil gleich zu mehreren umstrittenen Fragen Stellung bezogen: So soll die Situation des Gesellschafters in der Insolvenz – ungeachtet der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis und des Fehlens von Kapitalerhaltungsregeln – derjenigen eines ausgeschiedenen Gesellschafters vergleichbar sein. Die sich daraus ergebende Haftungsbeschränkung soll auch für einen Kommanditisten gelten, wobei von dieser jedoch – unabhängig von der insolvenzrechtlichen Einordnung – keine Gesellschaftsverbindlichkeiten erfasst werden sollen, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind.

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