Zur Haftung eines Geschäftsführers nach § 64 GmbHG

 

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Anforderungen konkretisiert, nach denen die Haftung eines Geschäftsführers für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gemäß § 64 S. 1 GmbHG wegen einer Geschäftsverteilung oder Ressortverteilung auf Ebene der Geschäftsführung nach § 64 S. 2 GmbHG ausscheidet.

Das Urteil vom 06.11.2018 (Az.: II ZR 11/17) bezog sich noch auf § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung. Da mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) die Regelungen in § 64 Abs. 2 GmbHG zum 01.11.2008 unverändert in § 64 S. 1, 2, 4 GmbHG n.F. überführt wurden, gelten die nachfolgenden Ausführungen gleichermaßen für die aktuelle Gesetzeslage.

Der amtliche Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt:

Eine Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung setzt eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben auf Grund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraus, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahrt. Eine diesen Anforderungen genügende Aufgabenzuweisung bedarf nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation.

Worum ging es?

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), das auf Eigenantrag vom 10.10.2008 hin eröffnet wurde. Der Beklagte war neben dem Zeugen K. Geschäftsführer der Schuldnerin. Dabei soll der Beklagte allein für die künstlerischen Belange und der Zeuge K. für die kaufmännische, organisatorische und finanzielle Seite des Geschäfts zuständig gewesen sein.

Der Kläger macht geltend, die Schuldnerin sei seit dem 01.07.2008 mit fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von 152.447,79 €, die auch später nicht ausgeglichen worden seien, spätestens aber seit dem 01.09.2008 zahlungsunfähig gewesen. Ungeachtet dessen seien vom 03.09. bis zum 10.10.2008 aus dem Vermögen der Schuldnerin noch Zahlungen in Höhe von 94.437,92 € geleistet worden, deren Erstattung der Kläger vom Beklagten u.a. verlangt.

Die Entscheidung des BGH

Zu Beginn der rechtlichen Ausführungen stellt der BGH noch einmal klar, dass die Erfüllung der sich aus § 64 GmbHG a.F. ergebenden Pflichten allen Geschäftsführern einer GmbH persönlich obliege und nicht im Wege der Geschäftsverteilung auf einen einzelnen Geschäftsführer übertragen werden könne. Der Geschäftsführer, der die Vermutung schuldhaften Verhaltens widerlegen will, müsse daher die Gründe vortragen und erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen.

Bei der Bewertung dieses Vorbringens sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Organisation sorgen müsse, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermögliche. Ob der Geschäftsführer seiner Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und näheren Überprüfung im Falle krisenhafter Anzeichen hinreichend nachgekommen sei, sei unter umfassender Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände zu beurteilen.

Dabei schließe die persönliche Verantwortung des Geschäftsführers für die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht ein arbeitsteiliges Handeln bzw. eine Ressortverteilung auf der Ebene der Geschäftsführung nicht aus, wenn mehrere Personen als Geschäftsführer bestellt werden. Eine solche Verteilung sei abhängig von der Größe des Unternehmens und der Art der vorzunehmenden Geschäfte möglich und ggf. sogar notwendig.

Auch eine für sich genommen zulässige Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben entbinde denjenigen, dem hiernach nur bestimmte Aufgaben zur Erledigung zugewiesen seien, allerdings nicht von seiner eigenen Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft. Soweit es um die Wahrnehmung der nicht übertragbaren Aufgaben gehe, wie die Einstandspflicht des Geschäftsführers für die Gesetzmäßigkeit der Unternehmensleitung, sei ein strenger Maßstab an die Erfüllung der in einem solchen Falle besonders weitgehenden Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber einem Mitgeschäftsführer anzulegen.

Aus diesen Grundsätzen leitet der BGH sodann die aus dem amtlichen Leitsatz ersichtlichen Maßstäbe für die nach § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. erforderliche Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns im Zusammenhang mit einer Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung ab.

Der danach erforderlichen Eignung im Hinblick auf die jeweils zugewiesenen Aufgaben müssen sich laut BGH die Geschäftsführer bei der Zuweisung vergewissern. Sofern die Geschäftsführer auf Grund dieser Vergewisserung von einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung ausgehen können, sei die Zuweisung der Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben regelmäßig so zu verstehen, dass die Pflicht des zuständigen Geschäftsführers zur laufenden Unterrichtung der weiteren Geschäftsführer über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft unberührt bleibe.

Entsprechend könnten die übrigen Geschäftsführer in diesem Fall auch ohne ausdrückliche Regelung annehmen, von dem nach der Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung zuständigen Geschäftsführer zuverlässig und rechtzeitig diejenigen Informationen zu erhalten, die für die Wahrnehmung der jedem Geschäftsführer persönlich obliegenden Aufgaben erforderlich sind.

Auch wenn die schriftliche Dokumentation der Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung innerhalb der Geschäftsführung regelmäßig das naheliegende und geeignete Mittel für eine klare Aufgabenzuweisung und sorgfältige Unternehmensorganisation darstelle, sei eine solche nicht zwingend erforderlich. Die aus dem Gebot einer sorgfältigen Unternehmensführung gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG abgeleiteten Organisationspflichten dienten weder dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger noch den Beweisinteressen des Rechtsverkehrs.

Darin liege auch keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 25.04.1984, Az.: V R 128/79), da diese allein die ausdrücklich den Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur persönlichen Erfüllung zugewiesenen Aufgaben nach § 34 Abs. 1 AO gegenüber dem Steuergläubiger und damit einen vom öffentlichen Recht geprägten Pflichtenkreis betreffe. Schließlich müsse die Aufgabenverteilung auch nicht zwingend ausdrücklich vereinbart werden, wenngleich eine faktische Arbeitsteilung typischerweise das Risiko von Missverständnissen beinhalte.

Da aus Sicht des BGH das Berufungsgericht von diesen Maßstäben ausgehend keine ausreichenden Feststellungen zu einer wirksamen Aufteilung der Geschäftsführungsaufgaben zwischen dem Beklagten und dem Zeugen K. getroffen hatte, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei hat das Berufungsgericht unter Beachtung der vom BGH aufgezeigten Maßstäbe erneut zu würdigen, ob der Beklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. gehandelt hat.

Praxishinweis

Damit sich ein Geschäftsführer bei einer möglichen Inanspruchnahme nach § 64 S. 1 GmbHG im Zusammenhang mit einer Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns gemäß § 64 S. 2 GmbHG berufen kann, sollten die vorstehenden Grundsätze des BGH in jedem Fall beachtet werden.

So hat der BGH in dem vorliegenden Fall beispielsweise klargestellt, dass die Erkennbarkeit der Insolvenzreife auch bei einem bewussten Vorenthalten von Informationen über die wirtschaftliche Lage nur dann fehle, wenn diese dem Beklagten auch bei ordnungsgemäßer Überwachung des Mitgeschäftsführers nicht aufgefallen wäre. Allein das Überprüfen der Kontostände der Schuldnerin sowie die Durchführung wöchentlicher Besprechungen - ohne gleichzeitig z.B. konkrete betriebswirtschaftliche Auswertungen vorzunehmen - ließ der BGH in der hiesigen Konstellation nicht ausreichen.

 

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