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§ 10 GeschGehG Bearbeiter: Florian Fuchs Stand: 27.06.2019

§ 10 Haftung des Rechtsverletzers

(1) Ein Rechtsverletzer, der vorsätzlich oder fahrlässig handelt, ist dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. § 619a des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.

(2) Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Rechtsverletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages bestimmt werden, den der Rechtsverletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Zustimmung zur Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses eingeholt hätte.

(3) Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, von dem Rechtsverletzer eine Entschädigung in Geld verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.



1. Zweck/Hintergrund

§ 10 GeschGehG ist eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Verletzten und setzt Art. 14 Abs. 2 um.

2. Regelungsinhalt

Wenn ein Rechtsverletzer schuldhaft handelt, ist der dem Verletzten zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

a) Bemessung

Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruches greift der Gesetzgeber auf die im Rahmen der Immaterialgüterrechte übliche dreifache Schadensberechnung zurück.[1] Dieser Grundsatz wurde von der Rechtsprechung für Schutzrechtsverletzungen entwickelt [2] und ist nunmehr in § 10 GeschGehG, in Umsetzung von Art. 14 Abs. 2, ausdrücklich geregelt. Dabei kann der Verletzte wählen, aufgrund welcher Berechnungsmethode er eine Schadensersatzzahlung verlangen will. Es handelt sich dabei nur um drei Berechnungsmethoden für ein und denselben Schadenersatzanspruch, weshalb hier keine Wahlschuld vorliegt. Auch ist der Verletzte an seine Wahl nicht gebunden, sondern kann ggf. auch noch während des Prozesses eine andere Berechnungsmethode auswählen. Erst mit rechtskräftiger Entscheidung bzw. für den Verletzten unangreifbarer Entscheidung entfällt die Wahlmöglichkeit.[3]

aa) Konkreter Schaden

Der Verletzte kann den ihm konkret durch die Rechtsverletzung entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Dabei muss er den entstandenen Schaden nach den allgemeinen Regeln darlegen und beweisen.

bb) Verletzergewinn

Anstelle des dem Verletzten entstandenen konkreten Schadens kann er den Gewinn als Schadensersatz einfordern, den der Rechtsverletzer aufgrund der Verletzung erzielt hat. Um diesen Anspruch der Höhe nach bestimmen zu können, ist regelmäßig zunächst eine Auskunft des Verletzers erforderlich, die nach § 8 Abs. 1 GeschGehG gefordert werden kann. Denn die Gewinnerzielung des Rechtsverletzers spielt sich in dessen Sphäre ab, in die der Verletzte üblicherweise keinen Einblick hat.

Auskunfts- und Schadensersatzanspruch können im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden. So ist sichergestellt, dass eine Bezifferung des Schadens möglich ist, ohne zunächst einen gesonderten Prozess nur über den Auskunftsanspruch führen zu müssen.

cc) Fiktive Lizenzkosten

Die dritte Berechnungsmethode zur Ermittlung der Höhe Schadensersatzes ist die Zugrundelegung der fiktiven Lizenzkosten. Dabei wird zugrunde gelegt, was der Rechtsverletzer hätte zahlen müssen, um von dem Verletzen eine Lizenz für die Verwendung seines Geschäftsgeheimnisses erteilt zu bekommen [4]. Auch dazu werden regelmäßig zunächst Auskünfte des Rechtsverletzers erforderlich sein [5], weil die Höhe von Lizenzkosten üblicherweise vom Umfang der Nutzung abhängt.

b) Immaterieller Schaden

Abs. 3 ist eine Bestimmung im Sinne des § 253 Abs. 1 BGB, die bei der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen einen Schadensersatz in Geld für einen Nichtvermögensschaden zubilligt.

c) Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen

Aus § 14 Satz 3 GeschGehG ergibt sich, dass neben den Ansprüchen aus diesem Gesetz auch andere Ansprüche bestehen können, die nicht unter den Missbrauchsvorbehalt des § 14 GeschGehG fallen (wohl aber unter den allgemeinen Vorbehalt von Treu und Glauben nach § 242 BGB).

aa) Vertragliche Ansprüche

Sofern zwischen dem Rechtsverletzer und dem Verletzten ein Schuldverhältnis besteht, was nicht selten der Fall sein dürfte, kommen auch Ansprüche aus § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, die neben den Ansprüchen aus § 10 GeschGehG bestehen.

Durch den Verweis auf § 619a BGB in Abs. 1 Satz 2, wonach im Arbeitsverhältnis die Beweislastregelung des § 280 Abs. 1 BGB zugunsten des Arbeitsnehmers umgekehrt wird, ergibt sich, dass grundsätzlich § 280 Abs. 1 BGB anwendbar sein soll. Da sich § 280 Abs. 1 BGB allein auf vertragliche Ansprüche bezieht, müssen diese auch neben den Ansprüchen aus § 10 GeschGehG anwendbar sein.

Vertragliche Ansprüche haben für den Verletzten der Vorteil, dass die Beweislast dafür, dass ein Verschulden nicht vorliegt, in dem Fall, dass ein Schuldverhältnis zwischen Verletztem und Rechtsverletzer besteht, beim Rechtsverletzer liegt. Allein im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, also wenn der Rechtsverletzer Arbeitnehmer des Verletzten ist, findet eine Umkehr der Beweislast nach § 619a BGB zugunsten des Arbeitnehmers statt, sodass der Verletzte ein schuldhaftes Handeln beweisen muss. Da die Haftung des Unternehmers für Beauftragte [6] akzessorisch zu der Haftung des Rechtsverletzers ist [7], gilt dies auch für den Fall das ein Rechtsverletzers ein Arbeitnehmer des Verletzen ist, der aber im Auftrag eines anderen handelt.

Wenn zwischen dem Rechtsverletzer und dem Verletzten eine Geheimhaltungsvereinbarung besteht, die durch die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses verletzt ist, besteht auch ein vertraglicher Primäranspruch neben dem Schadensersatzanspruch aus § 10.

bb) Deliktische Ansprüche

Bis zum Inkrafttreten des GeschGehG war der Schutz von Geschäftsgeheimnissen als rein strafrechtliche Norm in §§ 17 bis 19 UWG a.F. geregelt.[8] Dort war keine eigenständige zivilrechtliche Schadensersatzhaftung geregelt. Schadensersatzansprüche wurden vielmehr über § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der §§ 17, 18 UWG a.F. als Schutzgesetz realisiert. Dies war vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so vorgesehen.[9] Nunmehr existiert eine spezielle zivilrechtliche Regelung, die abweichend vom Deliktsrecht einigen Besonderheiten unterliegt (Verkürzung der Verjährung in § 13 GeschGehG gegenüber § 852 BGB, Ausschluss wegen Missbrauchs nach § 14 GeschGehG). Um diese Besonderheiten nicht über die parallele Anwendbarkeit des Deliktsrechts auszuhebeln, wird dies nicht mehr daneben anwendbar sein. Angesichts einer nunmehr umfangreichen spezialgesetzlichen Regelung bedarf es auch gerade keines Rückgriffes mehr auf das allgemeine Deliktsrecht. Anders als in dem speziellen Fall des § 14 GeschGehG oder in § 102 UrhG gibt es auch keine Anordnung, dass Ansprüche aus anderen Gesetzen unberührt bleiben.

cc) Bereicherungsansprüche

§ 13 GeschGehG stellt ausdrücklich klar, dass der Rechtsverletzer, der durch die Verletzung etwas erlangt hat, dies nach den allgemeinen Regeln über ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben hat.

dd) Ansprüche aus GoA

Der BGH hat in der Vergangenheit einen Fall der Weitergabe eines Geschäftsgeheimnisses eine angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag klassifiziert.[10] Damit hat er einen Auskunftsanspruch aus § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 681, 666 BGB begründet. Einer solchen Konstruktion bedarf es aufgrund des nunmehr ausdrücklich geregelten Auskunftsanspruches gem. § 8 Abs. 1 GeschGehG nicht mehr. Die Regelung des § 8 Abs. 1 GeschGehG hat einen abschließenden Charakter, sodass auch kein Raum mehr für Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag verbleibt.

ee) Lauterkeitsrechtliche Ansprüche

Lauterkeitsrechtlicher Schutz besteht weiterhin z.B. für die Fälle von Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung nach § 4 Nr. 3 UWG.

Ein Anspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 23 GeschGehG wegen einer Rechtsverletzung scheidet jedoch aus, da sich diese Strafvorschrift gerade auf die abschließenden zivilrechtlichen Regelungen des GeschGehG stützt.[11]

ff) Sonstige Ansprüche

Geschäftsgeheimnisse können auch aufgrund ihres Inhaltes durch spezialgesetzliche Vorschriften geschützt sein, z.B. Computerprogramme nach § 69a UrhG. Dieser Schutz ist neben dem GeschGehG anwendbar, [12] weil die Schutzrichtung, nämlich die geistige Schöpfung unabhängig von einer Geheimnisqualität zu schützen, eine ganz andere ist. Es wäre auch nicht sachgerecht, wenn ein besonderer Schutz dadurch eingeschränkt würde, dass es sich bei dem Schutzgegenstand zusätzlich noch um ein Geschäftsgeheimnis handelt.


[1] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 32.

[2] BGH, GRUR 1972, 189 – Wandsteckdose II, m.w.N. zu den einzelnen Berechnungsmethoden; BGH, GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl.

[3] BGH, GRUR 2008, 93 – Zerkleinerungsvorrichtung.

[4] Zum Urheberrecht vgl. BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 97 – Every time we touch, m.w.N.

[5] Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 9 Rn. 4.27.

[6] Vgl. dazu § 12.

[7] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 33.

[8]Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen/, 37. Aufl. 2019, UWG § 17 Rn. 53.

[9] BT-Drs. 15/1487 S. 22.

[10] BGH, GRUR 2012, 1048 – MOVICOL-Zulassungsantrag Rn. 27.

[11]Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen 37. Aufl. 2019, UWG § 3a Rn. 1.326.

[12]Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 17 Rn. 57.