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§ 18 GeschGehG Bearbeiter: Jens Nebel Stand: 27.06.2019

§ 18 Geheimhaltung nach Abschluss des Verfahrens

Die Verpflichtungen nach § 16 Absatz 2 bestehen auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens fort. Dies gilt nicht, wenn das Gericht der Hauptsache das Vorliegen des streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnisses durch rechtskräftiges Urteil verneint hat oder sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden.



1. Zweck/Hintergrund

Die Regelung in § 18 GeschGehG stellt klar, dass die Verpflichtungen, die aus der Einstufung der Information als Geschäftsgeheimnis gemäß § 16 Abs. 2 GeschGehG erwachsen, durch Abschluss des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht erledigt sind. Die Regelung setzt Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie um.

2. Regelungsinhalt

Satz 1 ordnet an, dass die Rechtsfolgen des § 16 Abs. 2 GeschGehG auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens fortbestehen.

a) Fortbestand der Verpflichtungen aus § 16 (Satz 1)

Nach dem Wortlaut gilt die Geheimhaltungsverpflichtung aus § 16 Abs. 2 GeschGehG für die verfahrensbeteiligten Personen grundsätzlich fort.

Es fällt allerdings auf, dass nur für die aus § 16 Abs. 2 GeschGehG erwachsenden Pflichten der Fortbestand nach Verfahrensabschluss ausdrücklich angeordnet ist. Dem Wortlaut lässt sich nichts dazu entnehmen, ob auch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts für Dritte (§ 16 Abs. 3 GeschGehG) nach Verfahrensabschluss fortdauert. Auch die Richtlinie enthält hierzu keine unmittelbaren Anhaltspunkte; auch dort ist der Wortlaut offen. Indes sind auch ohne ausdrückliche Regelung der Fortdauer keine Gründe erkennbar, warum die in § 16 Abs. 3 GeschGehG angeordnete Rechtsfolge nach Verfahrensabschluss entfallen sollten, zumal grundsätzlich auch nach Abschluss des Verfahrens die Einsicht in die Gerichtsakte möglich bleibt.[1]

b) Wegfall der Verpflichtung (Satz 2)

Gemäß Satz 2 entfällt die Verpflichtung, wenn das Gericht der Hauptsache das Vorliegen des streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnisses durch rechtskräftiges Urteil verneint hat oder sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden.

aa) Rechtskräftige Entscheidung

Nach der ersten Alternative entfällt die Verpflichtung, wenn das Gericht der Hauptsache das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses in einem rechtskräftigen Urteil verneint hat. Dies ist nachvollziehbar, weil es widersinnig wäre, die ordnungsmittelbewehrte Geheimhaltungspflicht aus § 16 Abs. 2 GeschGehG fortdauern zu lassen, wenn abschließend festgestellt ist, dass es sich bei den fraglichen Informationen – aus welchen Gründen auch immer – nicht um ein Geschäftsgeheimnis gehandelt hat.

Das Nichtvorliegen des Geheimnischarakters muss im Urteil explizit genannt sein, denn das Gesetz spricht ausdrücklich davon, dass die Eigenschaft verneint worden sein muss. Nicht erforderlich hingegen ist es, dass sich die materielle Rechtskraftwirkung auf das Verneinen des Geheimnischarakters erstreckt. Häufig wird es sich bei der Entscheidung über die Eigenschaft als Geschäftsgeheimnis lediglich um eine rechtliche Vorfrage für das Bestehen eines Anspruches handeln. Die Beurteilung derartiger präjudiziellen Rechtsverhältnisse nimmt jedoch regelmäßig nicht an der materiellen Rechtskraft der Entscheidung teil.[2]

bb) Bekannt- oder Zugänglichwerden

Der Schutz entfällt ebenfalls, sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden. Hinsichtlich dieser Voraussetzungen kann auf die Kommentierung bei § 2 GeschGehG verwiesen werden.[3]

Das Gesetz nimmt damit partiell Bezug auf die Definition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG. Im Unterschied zu der dortigen Definition entfällt der Schutz im Rahmen von § 18 GeschGehG jedoch bereits dann, wenn die betreffenden Informationen in den entsprechenden Kreisen bekannt oder zugänglich werden. Weder ist es für den Entfall des Schutzes erforderlich, dass das Geheimnis weiterhin von wirtschaftlichem Wert ist (siehe die Kommentierung bei § 2 GeschGehG)[4], noch müssen die Geheimhaltungsmaßnahmen nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG aufrechterhalten werden oder ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse fortbestehen (§ 2 Nr. 1 lit. c GeschGehG).

Das ist jedenfalls insoweit überraschend, als dass es in diesem Fall zu einem Auseinanderfallen des intraprozessualen Schutzes des Geschäftsgeheimnisses und seiner materiellen Schutzfähigkeit kommen kann. Mit anderen Worten könnte eine am Rechtsstreit beteiligte Person – zumindest dem Wortlaut nach – einer strengeren Bindung in Bezug auf das Geschäftsgeheimnis unterliegen als jeder sonstige Dritte. Dies erscheint allerdings problematisch, weil die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden kann. Diese Regelung hat offensichtlich im Auge, dass der Prozessgegner die originäre Einstufung angreifen will, nicht jedoch die Situation, dass nach Abschluss des Verfahrens eine Information die materiellen Schutzvoraussetzungen nicht mehr erfüllt. Der spätere Wegfall einer anderen Schutzvoraussetzung könnte jedoch aufgrund der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung in das Verfahren nicht mehr eingebracht werden.

Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes erschiene ein solches Ergebnis verfehlt. Es muss somit eine Möglichkeit der nach § 16 Abs. 2 GeschGehG verpflichteten Person bestehen, auch den späteren Entfall der sonstigen Schutzvoraussetzungen den Rechtsfolgen des § 16 Abs. 2 GeschGehG entgegenzuhalten.

Dies wirft allerdings die Frage auf, auf welchem Wege dies geschehen kann. Zu denken wäre zum einen an eine materiell-rechtliche Analogie, kraft derer der Schutz nach Verfahrensabschluss ex lege auch dann entfällt, wenn eine der anderen Schutzvoraussetzungen nicht mehr vorliegt. Dies hätte zur Folge, dass auch in einem solchen Fall die Fortdauer der Einstufung entfällt, so dass einem auf § 17 GeschGehG gestützten Ordnungsmittelantrag die Rechtsgrundlage fehlen würde. Dies wäre dann wiederum bereits im Wege der gegen den Ordnungsmittelbeschluss zulässigen Beschwerde (§ 17 Satz 3 GeschGehG) zu berücksichtigen.

Eine andere Lösungsmöglichkeit bestünde darin, jedem durch die Fortdauerwirkung der Einstufung Beschwerten eine prozessuale Möglichkeit zu verschaffen, den Einstufungsbeschluss zu vernichten. Da das Gesetz eine solche Möglichkeit expressis verbis nicht bereithält, wäre darüber nachzudenken, dem Beschwerten die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO zuzubilligen, wie dies auch im Falle der Vernichtung des Patents nach einer rechtskräftigen Verletzungsentscheidung der Fall ist.[5] Zwar handelt es sich bei der Einstufung nach § 16 Abs. 1 GeschGehG nicht um ein Urteil, wie dies der Wortlaut von § 767 ZPO vorauszusetzen scheint. Indes ist es anerkannt, dass § 767 ZPO auch auf solche Vollstreckungstitel Anwendung findet, deren Vollstreckung sich nach der ZPO richtet und für die keine speziellen Rechtsbehelfsregeln bestehen,[6] wie dies für die Anordnung nach § 16 Abs. 1 GeschGehG nach Verfahrensabschluss der Fall ist.

Da es sich bei dem Fortfall der Schutzvoraussetzungen um eine materiell-rechtliche Frage handelt, deren Beurteilung zumindest in Bezug auf die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 lit. b und c GeschGehG möglicherweise eine Beweisaufnahme erforderlich machen kann, dürfte es zweckmäßiger sein, diese Fragen im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage zu klären.

3. Besondere Bezüge/Prozessuales

Die Beweislast für die Umstände, die den Entfall der Fortdauerwirkung begründen, trifft denjenigen, der sich auf diese beruft, d. h. im Regelfall den von der Einstufung gemäß § 16 GeschGehG Belasteten.


[1] Vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 299 Rn. 9.

[2] Vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2018, Az. V ZR 299/14, NJW 2019, 71 Rn. 19 ff.

[3] § 2 Rn. 12 ff.

[4] § 2 Rn. 12 ff.

[5] Vgl. Bacher, GRUR 2009, 216 f. m.w.N.

[6] Vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 767 Rn. 6.