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§20 GeschGehG Bearbeiter: Jens Nebel Stand: 27.06.2019

§ 20 Verfahren bei Maßnahmen nach den §§ 16 bis 19

(1) Das Gericht der Hauptsache kann eine Beschränkung nach § 16 Absatz 1 und § 19 Absatz 1 ab Anhängigkeit des Rechtsstreits anordnen.

(2) Die andere Partei ist spätestens nach Anordnung der Maßnahme vom Gericht zu hören. Das Gericht kann die Maßnahmen nach Anhörung der Parteien aufheben oder abändern.

(3) Die den Antrag nach § 16 Absatz 1 oder § 19 Absatz 1 stellende Partei muss glaubhaft machen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Information um ein Geschäftsgeheimnis handelt.

(4) Werden mit dem Antrag oder nach einer Anordnung nach § 16 Absatz 1 oder einer Anordnung nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Schriftstücke und sonstige Unterlagen eingereicht oder vorgelegt, muss die den Antrag stellende Partei diejenigen Ausführungen kennzeichnen, die nach ihrem Vorbringen Geschäftsgeheimnisse enthalten. Im Fall des § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 muss sie zusätzlich eine Fassung ohne Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen vorlegen, die eingesehen werden kann. Wird keine solche um die Geschäftsgeheimnisse reduzierte Fassung vorgelegt, kann das Gericht von der Zustimmung zur Einsichtnahme ausgehen, es sei denn, ihm sind besondere Umstände bekannt, die eine solche Vermutung nicht rechtfertigen.

(5) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss. Gibt es dem Antrag statt, hat es die Beteiligten auf die Wirkung der Anordnung nach § 16 Absatz 2 und § 18 und Folgen der Zuwiderhandlung nach § 17 hinzuweisen. Beabsichtigt das Gericht die Zurückweisung des Antrags, hat es die den Antrag stellende Partei darauf und auf die Gründe hierfür hinzuweisen und ihr binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Absatz 1 und die Anordnung der Beschränkung nach § 19 Absatz 1 können nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt.

(6) Gericht der Hauptsache im Sinne dieses Abschnitts ist

  1. das Gericht des ersten Rechtszuges oder
  2. das Berufungsgericht, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist.


1. Zweck/Hintergrund

§ 20 GeschGehG regelt das Verfahren für die Anordnungen nach den §§ 16 ff. GeschGehG.

2. Regelungsinhalt

a) Zeitpunkt (Abs. 1)

Die Anordnung von Maßnahmen nach den §§ 16 ff. GeschGehG ist ab dem Zeitpunkt der Anhängigkeit des Rechtsstreits möglich. Die Maßnahmen können somit z. B. bereits mit Zustellung der Klage angeordnet werden.

b) Anhörung (Abs. 2 Satz 1)

Die andere Partei oder die anderen Parteien sind anzuhören. Dies dient dem Grundsatz auf rechtliches Gehör. Die Anhörung kann jedoch auch erst nach Anordnung von Maßnahmen erfolgen. Dies dient dem Schutz der Geschäftsgeheimnisse, die – einmal ohne Schutzanordnungen offenbart – bereits beeinträchtigt sein könnten.[1] Daher wird auch aus Sicht des Gesetzgebers die nachträgliche Anhörung den Regelfall darstellen.

c) Nachträgliche Änderung oder Aufhebung (Abs. 2 S. 2)

Nach der Anhörung kann das Gericht unter Nutzung der im Wege der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse die Maßnahmen ändern oder aufheben. Ein ausdrücklicher Antrag des angehörten Gegners ist dafür nicht erforderlich; wenn sich dieser allerdings um die Aufhebung oder Erleichterung von Maßnahmen bemüht, wird dieser schon im eigenen Interesse versuchen, die Glaubhaftmachung des Antragstellers durch eigene Glaubhaftmachungsmittel zu erschüttern.

Eine Änderung wird im Falle von Anordnungen nach § 19 Abs. 1 GeschGehG häufig vorkommen, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung beispielsweise noch nicht feststehen wird, durch welche Rechtsanwälte die Partei vertreten wird und insoweit zum Zeitpunkt der Klagezustellung noch nicht alle Personen bestimmt werden können, denen Zugang zu den Informationen und Dokumenten zu gewähren ist.

d) Glaubhaftmachung (Abs. 3)

Der Antragsteller muss glaubhaft machen (§ 294 ZPO), dass es sich bei der streitgegenständlichen Information um ein Geschäftsgeheimnis handelt.

e) Kennzeichnungspflicht und geschwärzte Fassung (Abs. 4)

Damit Maßnahmen nach §§ 16 und 19 GeschGehG praktisch umgesetzt werden können, muss der Antragsteller die aus seiner Sicht zu schützenden Geschäftsgeheimnisse besonders kennzeichnen. Dies kann beispielsweise durch farbliche Hervorhebung, Einrahmung, Ausgliederung in Anlagen oder anderweitige besondere Kennzeichnung im Dokument erfolgen.

Zusätzlich zu einer Reinschrift einschließlich der Geschäftsgeheimnisse muss der Antragsteller zusätzlich eine Fassung ohne Geschäftsgeheimnisse vorlegen. Dies kann durch Schwärzung oder (kenntlich gemachte) Auslassung der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Teile geschehen. Letztere Fassung darf auch Personen zugänglich gemacht werden, die nicht den besonderen Bindungen der §§ 16 und 19 GeschGehG unterliegen.

Versäumt der Antragsteller die Vorlage einer um die Geschäftsgeheimnisse reduzierten Fassung, so ist grundsätzlich von einer Zustimmung zur Einsichtnahme auszugehen, es sei denn, dem Gericht sind besondere dagegensprechende Umstände bekannt. Solche Umstände können nicht allein in dem Antrag nach §§ 16 oder 19 GeschGehG liegen, denn dieser ist Voraussetzung für die Schutzanordnung als solche. Vielmehr kommen nur solche Umstände in Betracht, die dafürsprechen, dass trotz der Nichtvorlage der gesetzlich angeordneten Beibringung einer reduzierten Fassung kein Einverständnis mit der Zugänglichmachung besteht, was etwa der Fall sein kann, wenn der Antragsteller in einem Eilverfahren erklärt, er habe aus Zeitgründen keine reduzierte Fassung erstellen können und werde diese in Kürze nachreichen.

f) Entscheidung des Gerichts; Anfechtung (Abs. 5)

Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss. Zusammen mit dem Beschluss muss es wegen der Tragweite alle Beteiligten auf die Rechtsfolgen der Anordnung (§§ 16 Abs. 2, 17 und 18 GeschGehG) hinweisen. Die Androhung des Ordnungsmittels ist nach der hier vertretenen Ansicht gesondert erforderlich.[2]

Beabsichtigt das Gericht die Zurückweisung des Antrags, hat es die den Antrag stellende Partei auf die beabsichtigte Zurückweisung und die Gründe hierfür hinzuweisen und ihr binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.[3]

Wird die Geheimhaltungsbedürftigkeit und/oder eine Maßnahme nach § 19 GeschGehG angeordnet, kann dies nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt (§ 576 ZPO).

Die gespaltene Anfechtung dient dem Schutz des Geschäftsgeheimnisses. Wird die Anordnung abgelehnt, droht das Geschäftsgeheimnis schutzlos offenbart zu werden. Dagegen ist die sofortige Beschwerde zulässig. Im Übrigen ist es für den Beklagten zumutbar, die Anordnung zusammen mit dem Rechtsmittel zu bekämpfen.

Problematisch ist es, wenn der Schutz angeordnet und die Information im Hauptsacheverfahren als Geschäftsgeheimnis eingeordnet wird, dem hierdurch beschwerten Beklagten jedoch an sich kein Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung zustünde, z. B. weil der Beklagte aus anderen Gründen obsiegt hat. In diesem Fall erscheint es angemessen, in der (gemäß § 18 GeschGehG grundsätzlich fortwirkenden) Anordnung eine Beschwer zu sehen, die dem Beklagten insoweit die Berufung eröffnet.

g) Gericht der Hauptsache

Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges oder das Berufungsgericht, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist. Die Regelung soll sicherstellen, dass das jeweils mit der Sache befasste Gericht über die Maßnahmen nach § 16 oder § 19 GeschGehG entscheiden kann.[4]

3. Besondere Bezüge/Prozessuales

Das Revisionsgericht ist nicht angesprochen, so dass dieses nicht als Gericht der Hauptsache zur Anordnung berufen ist.


[1] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 38.

[2] § 17 Rn. 5

[3] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 38.

[4] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 39.