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§6 GeschGehG Bearbeiter: Florian Fuchs Stand: 27.06.2019

§ 6 Beseitigung und Unterlassung

Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann den Rechtsverletzer auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Rechtsverletzung erstmalig droht.



1. Zweck/Hintergrund

§ 6 GeschGehG regelt die Ansprüche des Verletzten auf Beseitigung der Folgen der Rechtsverletzung sowie auf Unterlassung von künftigen Rechtsverletzungen.

Bislang war der Schutz von Geschäftsgeheimnissen als reine strafrechtliche Regelung in §§ 17 bis 19 UWG a.F. geregelt. Die zivilrechtlichen Folgeansprüche des Verletzten ergaben sich aus den allgemeinen Normen bzgl. der Verletzung von Schutzgesetzen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog.[1] Es gab zudem lauterkeitsrechtliche Ansprüche nach § 8 UWG, sofern in der Geheimnisverletzung zugleich ein Wettbewerbsverstoß lag.[2]

Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist gleichlaufend mit § 8 Abs. 1 UWG, § 97 Abs. 1 UrhG und § 42 Abs. 1 DesignG, sodass grundsätzlich bei der Auslegung auf Rechtsprechung und Literatur zu diesen Vorschriften Bezug genommen werden kann.[3]

2. Regelungsinhalt

§ 6 Satz 1 GeschGehG setzt die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses voraus, d. h. dass eine Verletzungshandlung nach § 4 GeschGehG bereits erfolgt ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Anspruch gegen den Rechtsverletzer (vgl. § 2 Nr. 3 GeschGehG) besteht. Ohne bereits begangene Verletzung gäbe es definitionsgemäß auch keinen Rechtsverletzer.

Satz 2 hingegen setzt keine erfolgte Rechtsverletzung voraus, sodass der Anspruch auch gegen Personen bestehen kann, die (noch) keine Rechtsverletzer sind. Eine Rechtsverletzung muss aber drohen, sodass der Anspruch sich gegen einen potentiellen Rechtsverletzer richtet.

a) Unterlassungsanspruch

Ein Unterlassungsanspruch besteht immer dann, wenn die Gefahr besteht, dass eine Rechtsverletzung wiederholt wird oder erstmalig einzutreten droht.

aa) Wiederholungsgefahr

Grundsätzlich indiziert jede Rechtsverletzung eine Wiederholungsgefahr.[4] Dabei ist unerheblich, ob diese noch andauert oder bereits beendet ist. Das bloße Einstellen eines rechtsverletzenden Handelns vermag nicht die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Dies ist regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu erreichen.

Die Höhe der Vertragsstrafe, die im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung verwirkt wird, muss hoch genug sein, um den Rechtsverletzer zu einem Unterlassen zu veranlassen. Ist sie von vornherein zu gering, entfällt dadurch nicht die Wiederholungsgefahr. Verstößt ein Rechtsverletzer gegen eine Unterlassungsverpflichtung aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zeigt der Verstoß, dass die Vertragsstrafe nicht hoch genug war, um ihn zu einem Unterlassen zu bewegen. Die Wiederholungsgefahr kann in diesem Fall nur durch eine erheblich höhere Vertragsstrafe ausgeräumt werden.

Im Wettbewerbsrecht ist der „Neue Hamburger Brauch“ mittlerweile sehr verbreitet. Danach wird eine Vertragsstrafe in der Unterlassungserklärung nicht beziffert, sondern es wird vielmehr eine Vertragsstrafe vereinbart, die im Falle eines Verstoßes vom Unterlassungsgläubiger nach billigem Ermessen durch den Verletzten festzusetzen und durch das zuständige Gericht der Höhe nach zu überprüfen ist. Der Vorteil dabei ist, dass die Umstände des Verstoßes berücksichtigt werden können und eine dem jeweiligen Verstoß angemessene Vertragsstrafe festgesetzt werden kann. Diese Regelung ist außerdem flexibel und es kann z.B. im Wiederholungsfall eine höhere Strafe festgesetzt werden, ohne dass es der Abgabe einer neuen Unterlassungserklärung bedarf. Der Nachteil ist, dass die abschreckende Wirkung einer bereits feststehenden hohen Summe größer sein kann, als eine noch unbestimmte Vertragsstrafe.

Bei der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ist zu berücksichtigen, dass auch Klauseln über Vertragsstrafen der AGB-Kontrolle unterliegen. Wird in AGB [5] eine Regelung verwendet, die die andere Partei unangemessen benachteiligt, was sich bei Vertragsstrafen insbesondere auch aus einer unangemessenen Höhe ergeben kann, ist diese – auch Unternehmern gegenüber – gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.[6] Die Höhe einer Vertragsstrafe ist unangemessen, wenn sie auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem sanktionierten Verstoß und der Wiederholungsgefahr steht.[7]

bb) Erstbegehungsgefahr

Für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr müssen objektive Anhaltspunkte vorliegen, dass eine konkrete Verletzungshandlung bevorsteht.[8]

Anders als die Wiederholungsgefahr, die nach Satz 2 aufgrund einer erfolgten Verletzung vermutet wird, muss die Erstbegehungsgefahr vom Geheimnisinhaber dargelegt und bewiesen werden. Dazu müssen tatsächliche Anhaltspunkte, üblicherweise im Verhalten des potentiellen Rechtsverletzers [9], dafür vorliegen, dass eine konkrete Verletzung droht. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der potentielle Verletzer im Vorfeld behauptet, zu der beabsichtigten Verletzungshandlung berechtigt zu sein (Berühmung).[10]

b) Beseitigungsanspruch

aa) Allgemeines

Während § 7 eine ganze Reihe von einzelnen Maßnahmen regelt (z.B. Vernichtung oder Rückruf), die jeweils auch die Beseitigung der Beeinträchtigung zur Folge haben, bleibt § 6 GeschGehG sehr allgemein. § 6 GeschGehG ist daher eher als generelle Auffangregelung für Beseitigungen zu verstehen, die insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn die in § 7 GeschGehG konkret bezeichneten Maßnahmen gem. § 9 wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sind.

Die Rechtsprechung hat den Beseitigungsanspruch durch verschiedene Maßnahmen konkretisiert, die überwiegend in dem spezielleren § 7 GeschGehG ausdrücklich geregelt sind. Mit dem Beseitigungsanspruch nach § 6 GeschGehG kann nur der Erfolg, also Beseitigung der Beeinträchtigung gefordert werden, nicht aber eine konkrete Handlung oder Maßnahme, die dazu führt. In § 7 GeschGehG hingegen steht es dem Gläubiger frei, zwischen verschiedenen Beseitigungsmaßnahmen auszuwählen. Damit wird die Mittelauswahl, die zuvor dem Schuldner zustand, auf den Gläubiger verlagert. Allerdings steht auch diese unter dem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt des § 9 GeschGehG.

bb) Beseitigungsmaßnahmen

Die wichtigsten Beseitigungsmaßnahmen wie Vernichtung und Herausgabe von Verkörperungen des Geschäftsgeheimnisses, Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen, Vernichtung und Rücknahme vom Markt des rechtsverletzenden Produkts sind in § 7 GeschGehG geregelt und können mit dieser Anspruchsgrundlage geltend gemacht werden. Es sind jedoch weitere Maßnahmen denkbar, die gemäß § 6 GeschGehG verlangt werden können:

(1) Widerruf/Richtigstellung

Eine Störung kann darin liegen, dass der Rechtsverletzer sich Dritten gegenüber wahrheitswidrig als Inhaber des Geschäftsgeheimnisses geriert. In diesem Fall besteht ein Anspruch des Verletzten darauf, dass der Rechtsverletzer diese unwahre Behauptung den Dritten gegenüber widerruft und vielmehr richtigstellt, dass der Verletzte der wahre Geheimnisinhaber ist.

(2) Rücknahme einer Schutzrechtsanmeldung

Wird eine durch ein unbefugt erlangtes Geschäftsgeheimnis bekanntgewordene Erfindung von dem Rechtsverletzer zum Patent oder Gebrauchsmuster angemeldet, hat der Verletzte einen Anspruch darauf, dass der Rechtsverletzer die Anmeldung zurücknimmt.

Hier besteht jedoch auch der Anspruch nach § 8 S. 1 PatG, wonach der Verletzte die Abtretung des Patenterteilungsanspruches verlangen kann, was für den Verletzten sinnvoller sein kann.

3. Besondere Bezüge/Prozessuales

a) Einstweiliger Rechtsschutz

Wie im Wettbewerbsrecht, aus dem das GeschGehG hervorgegangen ist, und bei Schutzrechtsverletzungen wird es bei Geheimnisverletzungen häufig auf ein schnelles Handeln ankommen.

In § 12 Abs. 2UWG ist geregelt, dass bei Wettbewerbsverstößen abweichend von den allgemeinen Regelungen des einstweiligen Rechtschutzes eine Eilbedürftigkeit nicht darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Eine entsprechende Regelung zu dieser Dringlichkeitsvermutung [11] ist im GeschGehG nicht enthalten, sodass eine Eilbedürftigkeit nunmehr von dem Verletzten nach den Vorschriften der §§ 935 und 940 ZPO darzulegen und glaubhaft zu machen sein wird. Eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 2 UWG bei Schutzrechtsverletzungen wird überwiegend abgelehnt [12], sodass dies auch im Rahmen des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen, der dem Schutz von Immaterialgüterrechten sehr ähnlich ausgestaltet ist, nicht in Betracht kommt. Genau wie schon bei der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes [13] hat der Gesetzgeber auch für Geschäftsgeheimnisse keine entsprechende Regelung eingeführt, sodass jedenfalls keine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die Raum für eine Analogie bieten würde.

b) Hilfsanträge

Prozessual folgt aus der Spezialität des § 7 GeschGehG und der höheren Beeinträchtigung des Rechtsverletzers, dass zunächst die erstrebten konkreten Unterlassungs- und Beseitigungsmaßnahmen nach § 7 GeschGehG zu beantragen sind, und andere Unterlassungs- und Beseitigungsmaßnahmen subsidiär im Wege eines Hilfsantrages geltend gemacht werden sollten. Freilich unterliegen aber auch die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 6 GeschGehG der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 GeschGehG, wobei die Anforderungen für die Verhältnismäßigkeit jedoch niedriger sind als die für die Maßnahmen nach § 7 GeschGehG, die für den Rechtsverletzer eine höhere Beeinträchtigung darstellen.[14]

Anders als bei den in § 7 GeschGehG konkret bezeichneten Maßnahmen liegt die Auswahl der Beseitigungsart im Falle von mehreren zur Verfügung stehenden Alternativen beim Schuldner. Dieser allgemeine, auch im Wettbewerbsrecht anerkannte Grundsatz [15] findet auch für den Beseitigungsanspruch nach § 6 GeschGehG Anwendung.


[1]Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 17 Rn. 63.

[2]Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 17 Rn. 63.

[3] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 29f.

[4] Ausnahmen sind in Ausnahmefällen im Einzelfall denkbar, vgl. dazu BGH, GRUR 1992, 318 – Jubiläumsverkauf.

[5] Zu allgemeinen Geschäftsbedingungen vgl. §§ 305ff. BGB.

[6] BGH, NJW 2017, 3145 Rn. 14 f.

[7] BGH, NJW 2014, 2180.

[8]Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 4. Aufl. 2016, UWG § 8 Rn. 84.

[9] BGH, GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe, m.w.N.; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen/, 37. Aufl. 2019, UWG § 8 Rn. 1.18.

[10] BGH, GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe, m.w.N.

[11]Schlingloff in: MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, UWG § 12 Rn. 372.

[12]Schlingloff in: MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, UWG § 12 Rn. 375f.; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 12 Rn. 3.14.

[13] OLG Hamm, BeckRS 2011, 785.

[14] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S.30.

[15]Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 8 Rn. 1.115-1.119