<>
§ 7 GeschGehG Bearbeiter: Florian Fuchs Stand: 27.06.2019

§ 7 Vernichtung; Herausgabe; Rückruf; Entfernung und Rücknahme vom Markt

Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann den Rechtsverletzer auch in Anspruch nehmen auf

  1. Vernichtung oder Herausgabe der im Besitz oder Eigentum des Rechtsverletzers stehenden Dokumente, Gegenstände, Materialien, Stoffe oder elektronischen Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder verkörpern,
  2. Rückruf des rechtsverletzenden Produkts,
  3. dauerhafte Entfernung der rechtsverletzenden Produkte aus den Vertriebswegen,
  4. Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte oder
  5. Rücknahme der rechtsverletzenden Produkte vom Markt, wenn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses hierdurch nicht beeinträchtigt wird.


1. Zweck/Hintergrund

§ 7 GeschGehG regelt konkretisierte Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Verletzten. Während § 6 GeschGehG, genau wie die bisherige Regelung in § 8 UWG, ganz allgemein von „Beseitigung“ und „Unterlassung“ spricht, sind in § 7 konkrete Beseitigungsmaßnahmen geregelt.

2. Regelungsinhalt

Der Anwendungsbereich von § 7 GeschGehG entspricht dem von § 6 Satz 1 GeschGehG. Die Ansprüche nach § 7 GeschGehG richten sich wie die Ansprüche nach § 6 Satz 1 GeschGehG ausdrücklich gegen den Rechtsverletzer. Die Ansprüche nach § 6 Satz 2 GeschGehG hingegen richten sich gegen einen nur potentiellen Rechtsverletzer. Die in § 7 GeschGehG genannten Maßnahmen sind jedoch auch nicht geeignet, eine bevorstehende Erstbegehungsgefahr abzuwenden. Denn um die Verkörperung eines Geschäftsgeheimnisses herauszugeben oder zu vernichten oder um Maßnahmen im Hinblick ein rechtsverletzendes Produkt zu treffen, muss zunächst eine Verletzung erfolgt sein.

a) Einzelne Ansprüche

aa) Vernichtung oder Herausgabe (Nr. 1)

Nach Nr. 1 besteht ein Anspruch auf Vernichtung oder Herausgabe von Verkörperungen des Geschäftsgeheimnisses, nicht aber eines aus der Verwendung entstandenen Produktes. Regelungen zum rechtsverletzenden Produkt finden sich vielmehr in den folgenden Ziffern.

Der Anspruch auf Vernichtung von Verkörperungen eines Geschäftsgeheimnisses war in der Rechtsprechung schon vor Inkrafttreten des GeschGehG als Beseitigungsmaßnahme anerkannt.[1]

Dokumente sind alle schriftlichen Niederlegungen des Geschäftsgeheimnisses. Darunter fallen sämtliche das Geschäftsgeheimnis beinhaltende Papiere wie z. B. Vorlagen oder Vorschriften technischer Art, insbesondere Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Schnitte, Rezepte.[2]

Der Wortlaut deutet darauf hin, dass dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses die Wahl zusteht, ob er die Vernichtung oder die Herausgabe von Verkörperungen der Verletzung verlangt. Hier wird jedoch zu unterscheiden sein, worum es sich im Einzelnen handelt. Im Grundsatz bedeutet die Wahl der Herausgabe auch immer, dass der Inhaber selbst im Anschluss eine Vernichtung vornehmen kann, sodass typischerweise wohl eher die Herausgabe gewählt werden wird.

Bei elektronischen Dateien würde eine Herausgabe wenig Sinn ergeben, weil auch danach immer noch eine Kopie beim Rechtsverletzer verbliebe, sodass nur eine Vernichtung, die bei elektronischen Dateien in Form der Löschung sämtlicher Kopien [3] erfolgt, die Beeinträchtigung beseitigt. Eine Herausgabe käme nur in Betracht, wenn sämtliche Datenträger herausgegeben würden, die das Geschäftsgeheimnis enthalten. Sofern sich nicht nur dieses darauf befindet, sondern auch noch andere Daten, was jedenfalls bei Festplatten von PCs oder Servern regelmäßig der Fall sein wird, wäre die Forderung nach der Herausgabe dieser Datenträger tendenziell unverhältnismäßig.

Bei elektronischen Dateien muss auch Besitz oder Eigentum über den Wortlaut hinaus weit ausgelegt werden. Hier sind alle Dateien erfasst, auf die der Verletzer rechtmäßig Zugriff hat. Anderenfalls könnte er die Daten z. B. in der Cloud, das heißt auf fremden Servern, die nicht seinem Besitz stehen, speichern. Die Einschränkung auf Besitz oder Eigentum passt nur für körperliche Gegenstände. Die Richtlinie sieht eine solche Einschränkung ohnehin nicht vor.[4] Gleichwohl dürfte diese mit Ausnahme der elektronischen Dateien richtlinienkonform sein, weil eine Herausgabe oder Vernichtung von Gegenständen, die nicht im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, für diesen tatsächlich oder rechtlich unmöglich sind und er daher auch nicht dazu gezwungen werden kann.

Die Herausgabe erfüllt jedoch auch den Zweck, dass der Inhaber nachvollziehen kann, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang sein Geschäftsgeheimnis verletzt worden ist, sodass auch ein Interesse an der Herausgabe bestehen kann. Anders als die Auskunftsansprüche nach § 8 GeschGehG bezieht sich dieses Informationsbedürfnis auf das Geschäftsgeheimnis als solches und dessen Verletzung, während sich die Auskünfte nach § 8 auf die Folgen der Verletzung beziehen.

Daher wird man jedenfalls bei Daten kumulativ Herausgabe und Vernichtung verlangen können. Denn nur so kann dem Interesse des Verletzten Genüge getan werden, sowohl über die konkrete Verletzung Kenntnis zu erlangen als auch die Beeinträchtigung durch den Verletzer dauerhaft zu unterbinden und für die Zukunft auszuschließen. Dies geht nur scheinbar über den Wortlaut hinaus. Denn wenn eine Kopie herausgegeben wird und eine weitere Kopie beim Rechtsverletzer verbleibt, besteht auch in der verbleibenden Kopie eine Beeinträchtigung, bezüglich der wiederum ein eigener Beseitigungsanspruch besteht, der auf Vernichtung gerichtet sein kann. Außerdem ist es auch sachgerecht, denn bei anderen Verkörperungen, z.B. Dokumenten, hat es der Verletzte selbst in der Hand, nach der Herausgabe an ihn selbstständig eine Vernichtung durchzuführen, ohne auf die Mitwirkung des Verletzers angewiesen zu sein, was bei elektronischen Dateien naturgemäß anders ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Verletzte durch die Wegnahme einer Verkörperung des Geschäftsgeheimnisses selbst möglicherweise nicht mehr darüber verfügt und es nur durch Herausgabe vom Rechtsverletzer wiedererlangen kann.

bb) Rückruf des rechtsverletzenden Produktes (Nr. 2)

Nach Nr. 2 besteht ein Anspruch des Verletzten auf Rückruf des rechtsverletzenden Produktes. Durch einen Rückruf wird verhindert, dass die Rechtsverletzung sich durch weitere Verbreitung im Markt manifestiert. Der Begriff Rückruf wird in einigen Vorschriften verwendet (z.B. in § 98 Abs. 2 UrhG, § 140a Abs. 3 PatG, § 43 Abs. 2 DesignG, § 18 Abs. 2 MarkenG, § 37a Abs. 2 SortSG). Im UWG ist und war der Rückruf nicht ausdrücklich geregelt, jedoch als Ausprägung des Unterlassungsanspruches anerkannt.[5] Eine gesetzliche Definition des Rückrufes findet sich hingegen in § 2 Nr. 25 ProdSG, wonach „jede Maßnahme, die darauf abzielt, die Rückgabe eines dem Endverbraucher bereitgestellten Produktes zu erwirken“, als Rückruf zu klassifizieren sein soll.

Fraglich ist daher, ob Rückruf im Sinne dieses § 7 GeschGehG bedeutet, dass der Rechtsverletzer das Produkt nur von seinen jeweiligen Abnehmern zurückrufen muss, um zu verhindern, dass diese es ihrerseits an Letztabnehmer veräußern, oder ob der Verletzer auch Maßnahmen treffen muss, auch bereits an Letztabnehmer, die nicht notwendigerweise Verbraucher sein müssen, ausgelieferte Produkte zurück zu erlangen.

Grundsätzlich sind Begriffe in diesem Gesetz autonom auszulegen. Gleichwohl lassen sich die Maßstäbe anderer Gesetze, in denen diese Begriffe verwendet werden, zur Auslegung heranziehen. Die Definition des ProdSG spricht für die zweite Alternative. Das ProdSG hat jedoch eine andere Zielrichtung als dieses Gesetz, sodass ein einheitliches Verständnis von Rückruf nicht zwingend ist. Während nach dem ProdSG eine Gefahr für den Verbraucher beseitigt werden soll, sodass auch er selbst ein Interesse an dem Rückruf hat, erfolgt ein Rückruf nach dieser Vorschrift allein zum Schutz des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses.

Die Rechtsprechung zu Rückrufen im Zusammenhang mit Wettbewerbsverstößen und Schutzrechtsverletzungen geht eher in Richtung der ersten Alternative.[6]

Auch eine richtlinienkonforme Auslegung kommt zu dem Ergebnis, dass der Rückruf gegenüber Abnehmern, nicht aber Endverbrauchern erfolgt. Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 lit. a) spricht von einem „Rückruf der rechtsverletzenden Produkte vom Markt“. Bereits von Endverbrauchern am Markt erworbene Produkte befinden sich aber gerade nicht mehr im Markt.

Im Ergebnis überzeugt die Auffassung, dass ein Rückruf nur den Rückruf von Abnehmern, nicht aber von Endverbrauchern umfasst. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ähnelt dem Schutz von Schutzrechten und daher ist die in diesem Bereich von der Rechtsprechung entwickelte Auslegung des Rückrufbegriffs auch für Geschäftsgeheimnisse anzuwenden.

cc) Dauerhafte Entfernung der rechtsverletzenden Produkte aus den Vertriebswegen (Nr. 3)

Nach Nr. 3 besteht ein Anspruch des Verletzten auf dauerhafte Rücknahme des rechtsverletzenden Produktes aus den Vertriebswegen.

Der Gesetzgeber sieht in der dauerhaften Entfernung einen Unterfall der Marktrücknahme.[7]

dd) Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte (Nr. 4)

Nach Nr. 4 besteht ein Anspruch des Verletzten auf Vernichtung des rechtsverletzenden Produktes. Von der Möglichkeit, die Art. 12 Abs. 3 einräumt, die rechtsverletzenden Produkte auf Antrag des Inhabers einer wohltätigen Organisation zu überlassen, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Eine Herausgabe der rechtsverletzenden Produkte kann der Inhaber ebenfalls nicht fordern, sodass nur die Vernichtung bleibt, wenn er sicherstellen will, dass der Verletzer nicht mehr über die rechtsverletzenden Produkte verfügen kann.

ee) Rücknahme der rechtsverletzenden Produkte vom Markt, wenn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses hierdurch nicht beeinträchtigt wird (Nr. 2)

Nach Nr. 5 besteht ein Anspruch des Verletzten auf Rücknahme der rechtsverletzenden Produkte vom Markt. Während Rückruf nach Nr. 2 bedeutet, dass der Rechtsverletzer die rechtsverletzenden Produkte von seinen Abnehmern zurückrufen muss, damit diese die Produkte nicht mehr vertreiben können, bedeutet die Rücknahme vom Markt, dass der Rechtsverletzer selbst die Produkte nicht mehr am Markt anbieten darf.

b) Parallele Anwendbarkeit

Dem Wortlaut nach sind die einzelnen Ansprüche mit einem „oder“ verknüpft, was zunächst darauf hindeutet, dass die Ansprüche nur alternativ, nicht aber kumulativ geltend gemacht werden können. Es besteht aber ein umfassender Beseitigungsanspruch, der die Beseitigung sämtlicher Störungen umfasst. Wenn ein Geschäftsgeheimnis sich z.B. einerseits in Konstruktionsplänen und andererseits in aufgrund dieser Pläne konstruieren Produkten wiederfindet, wäre es unzureichend, wenn der Verletzte hier vor die Wahl gestellt würde, entweder nur die Vernichtung der Pläne oder den Rückruf der Produkte verlangen zu können. Das „oder“ kann sich demnach allein auf einen konkreten Störungszustand beziehen, sodass für jeden eine separate Wahl auszuüben ist.

3) Besondere Bezüge/Prozessuales

Eine konkrete Störung lässt sich häufig auf verschiedene Arten beseitigen. Die Wahl der Beseitigungsart steht im Rahmen des allgemeinen Beseitigungsanspruches nach § 1004 BGB dem Schuldner zu, was auch für den wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG anerkannt ist.[8] Von diesem Grundsatz weicht § 7 GeschGehG ab und verlagert die Wahl der Beseitigungsmöglichkeit hinsichtlich der hier konkret bezeichneten Maßnahmen auf den Verletzten.


[1] BGH, GRUR 2006, 1044 Rn. 17 – Kundendatenprogramm.

[2] So aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 UWG a.F.

[3] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 34.

[4] Art. 12 Abs. 1 lit. d).

[5] Vgl. BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 30f. – Rückruf von RESCUE-Produkten.

[6] BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 30 – Rückruf von RESCUE-Produkten.

[7] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 30.

[8]Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 8 Rn. 1.115-1.116; Ohly in: Ohly/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, UWG § 8 Rn. 81.