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Einleitung Bearbeiter: Jens Nebel Stand: 27.06.2019

Einleitung

Mit der am 8. Juni 2016 verabschiedeten Richtlinie [1] waren die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Regelungen zum (zivilrechtlichen) Schutz von Geschäftsgeheimnissen umzusetzen. Im bisherigen deutschen Recht regelten die §§ 17 ff. UWG den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Diese als Straftatbestände ausgestalteten Regelungen entfalteten nur über Umwege zivilistische Wirkung, namentlich im deliktischen Bereich in Verbindung mit den §§ 823, 826, 1004 BGB sowie im wettbewerbsrechtlichen Bereich in Verbindung mit § 3a UWG. Die bisherigen Regelungen erachtete der nationale Gesetzgeber (mit Recht) für eine Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie für nicht ausreichend.[2]

Nicht zwingend im Rahmen der Umsetzung war die Regelung der Materie in einem eigenen Stammgesetz. Indes ist die Schaffung eines eigenständigen Gesetzes für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich begrüßenswert. Der bisherige, nur mittelbare zivilrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen erfährt so eine sichtbare Aufwertung, die der gestiegenen Bedeutung von Geschäftsgeheimnissen für das heutige Wirtschaftsleben angemessen Rechnung trägt. Er erlaubt zudem eine eigenständige Entwicklung der Rechtsprechung, die sich heute – möglicherweise in Ermangelung einer hinreichenden Zahl von Fällen – in vielen Fragen an der immaterialgüterrechtlichen Rechtsprechung, etwa zu Patentverletzungen, orientiert. Dies wiederum birgt in sich Sollbruchstellen, stellt der Schutz von Geschäftsgeheimnissen doch auch nach dem vorliegenden Gesetz kein absolutes Schutzrecht dar.[3]

Die Richtlinie war bis zum 9. Juni 2018 umzusetzen. Die Umsetzungsfrist wurde in Deutschland versäumt. Das Gesetz wurde am 25.04.2019 verkündet und trat gemäß Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung einen Tag später, nämlich am 26.04.2019, in Kraft. Alle bis dahin begangenen Verstöße sind nach den bisherigen Regelungen der §§ 17 ff. UWG zu beurteilen, die freilich seit Ablauf der Umsetzungsfrist richtlinienkonform auszulegen sind.[4]

Inwieweit die Richtlinie eine harmonisierende Wirkung entfaltet, ist nicht eindeutig.

Zunächst scheint Art. 1 Abs. 1 klar darauf hinzudeuten, dass die Richtlinie lediglich eine Mindestharmonisierung bezweckt, wenn dort die Rede davon ist, dass die Mitgliedsstaaten einen weitergehenden als den durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung vorsehen können.[5] Dies stünde im Einklang mit Erwägungsgrund 17, demzufolge die Richtlinie nicht das Ziel habe, das Recht des unlauteren Wettbewerbs insgesamt zu harmonisieren, und Erwägungsgrund 37, demzufolge nicht das Ziel verfolgt wird, die Vorschriften im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, der gerichtlichen Zuständigkeit oder der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen zu harmonisieren. Ebenso spricht Erwägungsgrund 10 lediglich von einer „Annäherung“ der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten.

Indes wird die Möglichkeit der Schaffung strengerer Schutzvorschriften stark durch die in Art. 1 Abs. 1 genannten Einschränkungen relativiert. Denn Art. 3, Art. 5, Art. 6, Art. 7 Abs. 1, Art. 8, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 9 Abs. 3 und 4, Art. 10 Abs. 2, Art. 11, Art. 13 und Art. 15 Abs. 3 müssen auch in solchen Fällen eingehalten werden. Die Fallgruppen des rechtmäßigen Erwerbs, der rechtmäßigen Nutzung und der rechtmäßigen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen (Art. 3) sind damit in jedem Fall ebenso zu beachten wie die wichtigen Ausnahmeregelungen in Art. 5, etwa im Bereich von Medien oder Whistleblowern. In diesen Teilbereichen kann man also von einer Vollharmonisierung sprechen. Weiter ist zu beachten, dass  der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insofern als  rechtmäßig gilt, als dies nach nationalem Recht vorgeschrieben oder erlaubt ist, Art. 3 Abs. 2.


[1] Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1.

[2] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 1.

[3] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/4724, S. 26.

[4] Ständige Rechtsprechung des EuGH, z. B. EuGH, Urteil vom 16.12.1993, Rs. C-334/92; EuGH, Urteil vom 16.07.1998, Rs. C-355/96.

[5] So auch Kalbfus, GRUR 2016, 1009, 1010.