Bekanntmachungsfehler: Hauptversammlungsbeschlüsse unwirksam

Die ergänzte Tagesordnung der Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft muss rechtzeitig bekanntgemacht werden. Dies gilt auch bei einer gerichtlich durchgesetzten Ergänzung durch Minderheitsaktionäre. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen eine angemessene Veröffentlichungspflicht gefasst werden, sind nichtig. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.07.2020 entschieden.

Leitsatz

Die aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung der Minderheitsaktionäre auf die Tagesordnung zu setzenden Gegenstände müssen bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft so rechtzeitig bekanntgemacht werden, dass die Aktionäre ausreichend Zeit haben, sich mit der ergänzten Tagesordnung zu befassen, darüber zu befinden, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollen, und die Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen.

Sachverhalt

In dem von dem BGH entschiedenen Fall geht es um eine Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft, die am 29. Juli 2016 stattfand. Die Einladung wurde im Bundesanzeiger am 23. Juni 2016 veröffentlicht.

Am 30. Juni 2016 ging beim Vorstand das Verlangen eines Aktionärs auf Ergänzung der Tagesordnung um zwei weitere Tagesordnungspunkte ein. Nachdem der Vorstand untätig blieb, beantragte der Aktionär am 13. Juli 2016 beim Amtsgericht die Ermächtigung zur Veröffentlichung der ergänzten Tagesordnung im Bundesanzeiger. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Juli 2016 wurde er ermächtigt, die Tagesordnung für die Hauptversammlung am 29. Juli 2016 um die Tagesordnungspunkte zu ergänzen und bekannt zu machen. Am 21. Juli 2016 wurde der entsprechende Auftrag an den Bundesanzeiger übermittelt, in dem am 25. Juli 2016 die Ergänzung der Tagesordnung veröffentlicht wurde. Es blieben somit nur vier Tage zwischen Veröffentlichung und Ergänzung.

Die Beschlüsse zu den ergänzten Tagesordnungspunkten wurden mit großer Mehrheit gefasst. Die hiergegen eingereichten Anfechtungsklagen wurden durch die Vorinstanzen abgewiesen (OLG München, Urteil vom 27. Juni 2018, Az: 7 U 2752/17; Urteil vorgehend LG München I vom 14. Juli 2017, Az: 5 HK O 14714/16). Die abweisenden Urteile wurden nunmehr durch den BGH aufgehoben und die Beschlüsse für nicht erklärt.

Entscheidungsgründe

Das Recht der Aktionäre auf sachgerechte Information muss genauso gewahrt werden, wenn die Gegenstände der Tagesordnung nicht in der Einberufung, sondern später nach einem Ergänzungsverlangen einer Minderheit bekanntgemacht werden.

Ist das Verlangen nach § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG, Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen und bekanntzumachen, der Gesellschaft, wie im vorliegenden Fall der Beklagten, erst nach der Einberufung der Hauptversammlung zugegangen, sind die von dem Ergänzungsverlangen erfassten Gegenstände nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt zu machen.

Wird dem Verlangen nach § 122 Abs. 2 AktG, dass Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht werden, nicht entsprochen, kann das Gericht die Aktionäre, die das Verlangen gestellt haben, auf Antrag ermächtigen, den Gegenstand bekanntzumachen (§ 122 Abs. 3 Satz 1 AktG). Der Vorstand entspricht dem Ergänzungsverlangen nicht, wenn er es ausdrücklich zurückweist, oder - wie vorliegend - über eine ihm zuzubilligende Prüfungsfrist hinaus untätig bleibt.

Der Normzweck des § 122 AktG, einer Minderheit von Aktionären die Möglichkeit der Willensbeeinflussung der anderen Aktionäre in einer Hauptversammlung zu gewähren, steht im Spannungsverhältnis zu deren berechtigtem Interesse an einer sachgerechten Information. Die den Minderheitsaktionären eingeräumte Möglichkeit, bei Ablehnung oder bei Nichtbeachtung eines Ergänzungsverlangens durch den Vorstand das Gericht um die Ermächtigung zur Bekanntmachung nachzusuchen, darf nicht einseitig zu Lasten des berechtigten Informationsinteresses der anderen Aktionäre gehen. Die Beachtung des Rechts der Aktionäre auf sachgemäße Information macht es erforderlich, dass die auf die Tagesordnung zu setzenden Gegenstände bei einer gerichtlichen Ermächtigung zur Bekanntmachung nach § 122 Abs. 3 AktG so rechtzeitig bekannt gemacht werden, dass die sachgerechte Information der Aktionäre sichergestellt ist.

Zur Bestimmung eines das Recht der Aktionäre auf sachgerechte Information wahrenden Zeitraums für die Bekanntmachung von Gegenständen nach einer gerichtlichen Ermächtigung im Sinne des § 122 Abs. 3 AktG wird als Ausgangspunkt die in der Fristenregelung für das Ergänzungsverlangen zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers für die Bekanntmachung durch den Vorstand bei börsennotierten Aktiengesellschaften herangezogen. Da das Verlangen 30 Tage vor der Versammlung zu stellen ist (§ 122 Abs. 2 Satz 3 AktG) stehen bei Beachtung des Nachweisstichtags in § 123 Abs. 4 Satz 2 AktG neun Tage für die nachträgliche Bekanntmachung zur Verfügung. Aus dem Umstand, dass neun Tage für Prüfung und Bekanntmachung in jedem Fall genügen müssen, wird nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung gefolgert, dass die Ergänzung der Tagesordnung durch den Vorstand bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften spätestens fünfzehn Tage vor der Hauptversammlung bekannt gemacht werden muss. Ob dieser Ansicht auch für die Bekanntmachung durch die Minderheit zu folgen ist, hat der BGH vorliegend offengelassen, da die nach der Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung verbleibende Zeitspanne von vier Tagen jedenfalls nicht mehr angemessen war.

Welche Möglichkeiten bleiben, wenn die Zeit zu knapp ist?

Die gerichtliche Ermächtigung zur Bekanntmachung ergänzender Tagesordnungspunkte gilt für die folgende Hauptversammlung, wenn von ihr für die anstehende Hauptversammlung im Hinblick auf die Bekanntmachungsfrist kein Gebrauch mehr gemacht werden kann, fort. Die Stellung eines erneuten Ergänzungsverlangens, das je nach Reaktion des Vorstands erneut gerichtlich durchgesetzt werden müsste, ist der Minderheit nicht zuzumuten.

Unabhängig davon könnten die Minderheitsaktionäre ihr Verlangen, dass Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht werden, weit im Vorfeld der nächsten erreichbaren Hauptversammlung vor deren Einberufung erneut stellen Der Vorstand muss nach erneutem Ergänzungsverlangen vor der Einberufung die Gegenstände mit der Einberufung bekanntmachen (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AktG). Unterlässt der Vorstand das, kommt das einer Ablehnung gleich und die Minderheitsaktionäre können unmittelbar nach der Einberufung bei Gericht um die Ermächtigung zur Bekanntmachung nachsuchen. In diesem Fall können die Minderheitsaktionäre die Gegenstände nach der gerichtlichen Ermächtigung so rechtzeitig bekanntmachen, dass das Informationsinteresse der anderen Aktionäre gewahrt wird.

Letztlich müssen die Minderheitsaktionäre nicht bis zur nächsten, vom Vorstand aus eigenem Antrieb einberufenen Hauptversammlung zuwarten. Sie können selbst aktiv werden und nach § 122 Abs. 1 AktG verlangen, dass der Vorstand eine Hauptversammlung einberuft, damit diese sich mit den der beantragten Ermächtigung zugrundeliegenden Gegenständen befasst. Hierbei ist zwar zu beachten, dass das Einberufungsverlangen an dem vorgeschriebenen Quorum scheitert, wenn die Anteile der Minderheit zusammen den anteiligen Betrag von 500.000 € erreichen, nicht aber den zwanzigsten Teil des Grundkapitals. Diese Einschränkung betrifft allerdings meist größere Gesellschaften und eher seltener die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen, nicht börsennotierten Aktiengesellschaften.

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