Gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B ist im Einheitspreisvertrag bei zufälligen Mengenänderungen die Anpassung der Einheitspreise in beide Richtungen möglich. Wird ohne eine Anordnung des Auftraggebers die ausgeführte Menge überschritten, ist für die über 10 % hinausgehende Überschreitung ein neuer Einheitspreis zu vereinbaren. Ebenfalls ist ein neuer Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge zu vereinbaren, wenn diese die im Leistungsverzeichnis vorgesehene Menge um mehr als 10 % unterschreitet.
Für beide Konstellationen schließen Auftraggeber im Einheitspreisvertrag Preisänderungen mit einer branchenüblichen sogenannten Festpreisklausel aus. Dass dies auch in AGB möglich ist, hatte der BGH bereits vor Jahrzehnten (VII ZR 79/92) entschieden. Mit seinem jüngst veröffentlichten Urteil (20. Juli 2017-VII ZR 259/16) hält der BGH nunmehr diese Festpreisklausel für unwirksam.
SACHVERHALT
Der Auftraggeber hat den Auftragnehmer mit der Ausführung unter anderem von Betonarbeiten auf der Grundlage eines Einheitspreisvertrags beauftragt. Vertragsbestandteil war auch das Leistungsverzeichnis, aus dem sich die kalkulierte Menge an Stahlbeton mit entsprechendem Einheitspreis ergab. Zudem enthielt der Bauvertrag die branchenübliche Festpreisklausel „Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich.“
Ohne Einwirkung des Auftraggebers auf das Bausoll ergab sich eine Mindermenge an Stahlbeton, die 10 % des kalkulierten Vordersatzes im Leistungsverzeichnis unterschritt. Im Hinblick auf diese Umsatzreduzierung hatte der Auftragnehmer in der Schlussrechnung einen Umlagenausgleich angesetzt. Der Auftraggeber hat diesen unter Hinweis auf die Festpreisklausel nicht gezahlt.
ENTSCHEIDUNG DES BGH
Mit seinem Urteil vom 20. Juli 2017 (VII ZR 259/16) hat der BGH diese Festpreisklausel für unwirksam erklärt. Eine Unwirksamkeit ergäbe sich zwar nicht wegen des Ausschlusses der Einheitspreisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B. Aber die Klausel benachteilige den Auftragnehmer gemäß § 307 BGBunangemessen, weil sie gemäß § 305c Abs. 2 BGB mehrdeutig sei.
Nach Auffassung des BGH könne die Festpreisklausel auch so verstanden werden, dass nicht nur eine Einheitspreisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/Bausgeschlossen sei, sondern auch eine Vergütungsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Eine solche Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn sich nach Vertragsschluss Umstände ändern, so dass einer Vertragspartei das unveränderte Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Dies ist beispielsweise bei vom Auftragnehmer nicht vorhersehbaren Lohn- oder Materialpreisänderungen der Fall.
Weil bei verständiger Würdigung der Festpreisklausel nicht auszuschließen sei, dass damit auch dieser Anpassungsanspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen wird, sei die Klausel unwirksam.
PRAXISHINWEIS
Für beide Parteien des Bauvertrags ergibt sich aus dieser Entscheidung des BGH Handlungsbedarf.
Für bereits geschlossene Verträge ist „das Kind bereits in den Brunnen gefallen“. Zukünftig wird der Auftraggeber jedoch bei der Vertragsgestaltung beachten müssen, mit der Festpreisklausel nicht Ansprüche aus Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB auszuschließen. Weil § 2 Abs. 3 VOB/Bletztlich ebenfalls Ausdruck des Grundsatzes der Störung der Geschäftsgrundlage ist, bleibt abzuwarten, ob der BGH nicht auch seine Rechtsprechung zu diesem Punkt ändert und Festpreisklauseln demnächst in AGB insgesamt nicht mehr wirksam vereinbart werden können.
Auftragnehmer sollten abgeschlossenen Bauverträge auf unwirksame Festpreisklauseln hin überprüfen. Ist die Festpreisklausel unwirksam, können nicht nur Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage, sondern auch Ansprüche wegen Mengenüber- oder -unterschreitung aus § 2 Abs. 3 VOB/B bis an die Grenze der Verjährung nachträglich geltend gemacht werden.