Corona: Kann der Betriebsrat die Corona-bedingte Schließung eines Betriebes verlangen?

Das Arbeitsgericht Hamm hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren aus Mai diesen Jahres u.a. darüber zu entscheiden, ob ein Betriebsrat der Arbeitgeberin aufgeben kann, einen Betrieb aufgrund der Notwendigkeit neuer Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit hinsichtlich der Corona Pandemie zu schließen (ArbG Hamm, Beschluss vom 04.05.2020, 2 BVGa 2/20).

Der Sachverhalt

Im konkreten Fall verlangte der Betriebsrat eines Einzelhandelsunternehmens von der Arbeitgeberin, Arbeitnehmern keine Arbeitszeiten im Rahmen eines Personaleinsatzplans zuzuweisen und den Betrieb geschlossen zu halten.

Hintergrund war eine Betriebsvereinbarung der Betriebsparteien zur Einführung von Kurzarbeit, die Anfang April diesen Jahres abgeschlossen wurde und bis zum 31. Mai 2020 geltend sollte. Daraufhin wurde die Filiale der Arbeitgeberin, die diese in einem Einkaufszentrum betreibt, geschlossen. Bereits Ende April sollte die Filiale nach dem Willen der Arbeitgeberin wieder öffnen und die Arbeitnehmer in reduzierter Arbeitszeit eingesetzt werden. Um dies zu verhindern, leitete der Betriebsrat das gerichtliche Verfahren ein und verwies neben der Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit auch auf die Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Arbeitszeitenzuweisung unzulässig

Das Arbeitsgericht Hamm entschied, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern ohne die Zustimmung des Betriebsrates keine Arbeitszeiten zuweisen durfte. Aus der Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit folge ein unmittelbarer Durchführungs- und Erfüllungsanspruch des Betriebsrates und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Festlegung der Arbeitszeiten aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG sei zu beachten. Dies bedeutet, der Betriebsrat durfte auf der Durchführung der Kurzarbeit bestehen.

Kein Anspruch auf Betriebsschließung aufgrund der Arbeitsschutzstandards

Im Übrigen wies das Arbeitsgericht Hamm die Anträge des Betriebsrates ab. Der Betriebsrat hatte gefordert, der Arbeitgeberin aufzugeben, den Betrieb geschlossen zu halten, bis die Betriebsparteien eine Vereinbarung bezüglich. der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichen Arbeitsschutzstandards hinsichtlich SARS-CoV-2 getroffen haben.

Darauf habe der Betriebsrat jedoch keinen Anspruch gehabt. Zum einen sähe der streitgegenständliche Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Betriebsschließung bis zu einer erfolgreichen Regelung zwischen den Betriebsparteien nicht vor.

Der Betriebsrat könne sich zum anderen auch nicht auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG berufen. Voraussetzung hierfür sei nämlich eine gesetzliche Vorschrift zum Gesundheitsschutz, die in den Arbeitsschutzstandards nicht zu sehen sei.

Fazit

Die Entscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass sie mitten in der Hochphase der Corona Pandemie Aussagen zu praxisrelevanten Fragestellungen getroffen hat. Zum Entscheidungszeitpunkt waren zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte Corona-bedingt geschlossen. Der Betriebsrat hat in diesen Fällen zwar Einfluss auf den Einsatz der Arbeitnehmer im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts, wenn zuvor Kurzarbeit vereinbart wurde. Er kann jedoch nicht verlangen, dass der Betrieb geschlossen wird bzw. die Wiederöffnung eines Betriebs von der Einführung von Arbeitsschutzstandards hinsichtlich des Corona Virus abhängig gemacht wird.