Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.07.2016, Az.: XI ZR 564/15 entschieden, dass eine dem Darlehensvertrag beigefügte Widerrufsbelehrung, die dahingehend lautet, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, nicht hinreichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist belehre. Der Streit über Widerrufsrechte beschäftigt folglich auch nach dem Paradigmenwechsel weiterhin die Gerichte.
Hintergrund
Die Kläger schlossen im April 2008 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag in Höhe von 50.000,00 €. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht mit der Formulierung, dass die Frist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Die Kläger erbrachten in der Folgezeit Zins- und Tilgungsleistungen. Am 24. Juni 2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Vorinstanzen
Das Landgericht legte in seinen Entscheidungsgründen dar, dass die Widerrufsbelehrung zwar nicht ordnungsgemäß gewesen sei, allerdings genieße die Bank Vertrauensschutz in Bezug auf die vom Verordnungsgeber eingeführte und von ihr verwendete Musterbelehrung.
Das Oberlandesgericht hat indes entschieden, die Kläger hätten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auch im Juni 2013 noch widerrufen können, weil die Widerrufsfrist mangels deutlicher Belehrung der Beklagten nicht angelaufen sei. Eine Belehrung, die sich wie im konkreten Fall hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränke, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, sei nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend.
Entscheidung des BGH
Der BGH führt nunmehr aus, dass das OLG richtigerweise gesehen habe, dass bei Ausübung des Widerrufsrechts knapp fünf Jahre nach Abschluss des Vertrages die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen war. Dabei könne sich die Bank insbesondere nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des vom Verordnungsgeber eingeführten Musters für die Widerrufsbelehrung berufen, weil sie gegenüber dem Muster erhebliche Änderungen vorgenommen habe.
Rückblick und Ausblick
Das Widerrufsrecht ist seit jeher – insbesondere im Rahmen von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Banken – Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren, was zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für die Kreditwirtschaft führt.
Dies musste auch der Gesetzgeber erkennen und hat – wie Albrecht von Loewenich mit Beitrag vom 20. Mai 2016 bereits vorgestellt hat – ein Gesetz verabschiedet, wonach das Widerrufsrecht im Rahmen von Immobiliendarlehensverträgen bis einschließlich dem 10. Juni 2010 seit dem 21. Juni 2016 erloschen ist (siehe hierzu auch Eintrag von Dr. Stephan Molls vom 22. Juni 2016).
Ein erster Schritt, die Ewigkeit des Widerrufsrechts einzuschränken, bei gleichzeitiger Aussicht, dass das Widerrufsrecht die Gerichte noch ewig beschäftigen wird.