„Kleiner“ Paukenschlag aus Kassel – Unfallversicherungsschutz auch bei ehrenamtlichen Sägearbeiten auf dem eigenen Privatgrundstück

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2023 (B 2 U 10/21 R) entschieden, dass die in Ausübung eines Ehrenamtes vorgenommenen Sägearbeiten auch dann einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 2 Absatz 1 Nummer 10a, 8 Absatz 1 SGB VII darstellen, wenn diese auf dem eigenen Privatgrundstück durchgeführt werden.

Der Kläger war seit August 2016 ehrenamtliches Mitglied des Elternbeirats eines kommunalen Kindergartens. Er sollte für den jährlich stattfindenden Weihnachtsmarkt des Kindergartens Baumscheiben beschaffen und zurechtschneiden. Diese sollten im Anschluss auf dem Basar des Weihnachtsmarktes verkauft werden. Am 18. November 2017 geriet der Kläger bei den Sägearbeiten auf seinem eigenen Privatgrundstück mit seiner linken Hand in die Kreissäge. Hierdurch verlor er Mittel- und Ringfinger.

Daraufhin forderte der Kläger die beklagte Unfallkasse zur Anerkennung des Unfallereignisses vom 18. November 2017 als Arbeitsunfall auf, was diese durch Bescheid vom 6. April 2018 ablehnte.

Hiergegen klagte der Kläger und bekam schließlich in letzter Instanz vor dem Bundessozialgericht Recht.

Anerkennung als Arbeitsunfall

Das Bundessozialgericht erkannte jetzt – anders als die beklagte Unfallkasse und die Vorinstanzen – das Unfallereignis als Arbeitsunfall an. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses sei der Kläger als Mitglied des Elternbeirats innerhalb der gesetzlichen Aufgabenkreise der Gemeinde als Trägerin des Kindergartens und deren Elternbeirats ehrenamtlich tätig gewesen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die zum Unfallereignis führenden Sägearbeiten dem Kläger im Vorfeld konkret von Kindergarten und Elternbeirat übertragen worden waren. Dass die Sägearbeiten auf dem eigenen Privatgrundstück des Klägers und nicht in den Einrichtungen des Kindergartens durchgeführt worden waren und der Gemeinde und dem Elternbeirat daher keine konkreten Einwirkungsmöglichkeiten zukamen, sei insoweit unschädlich. Vielmehr erstrecke sich der Versicherungsschutz ohne zeitliche oder räumliche Begrenzung auf ehrenamtliche Tätigkeiten für die Einrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Nr. 10a SGB VII.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts bestätigt dessen bereits Ende 2022 sichtbare Tendenz, den Unfallversicherungsschutz bei ehrenamtlichen Tätigkeiten vermehrt zu stärken (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 8. Dezember 2022 - B 2 U 19/20 R; Urteil vom 8. Dezember 2022 - B 2 U 14/20 R). Welche konkreten Auswirkungen diese Entscheidung auf die Praxis – insbesondere auch den Umfang des Unfallversicherungsschutzes bei Tätigkeiten in den privaten Räumlichkeiten im Allgemeinen – haben wird, bleibt abzuwarten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit der Einführung von § 8 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nummer 2a SGB VII auf die durch die COVID-19 bedingte Zunahme von Homeoffice und mobiler Arbeit reagiert und den Unfallversicherungsschutz für diese Tätigkeiten daher dem Unfallversicherungsschutz für Tätigkeiten im Betrieb bereits gleichgestellt hat. Einen hoffentlich ersten Anhaltspunkt wird die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe bieten, die daher mit Spannung zu erwarten ist.