Online-Bewerbungen: Uneingeschränkte Vorlagepflichten des Arbeitgebers

Das BAG erstreckt die Vorlage- und Auskunftspflichten nach § 99 BetrVG auch auf Bewerbungsunterlagen, die zuvor durch ein unternehmensinternes Recruitment-Center aussortiert wurden. Das gilt für nicht ernsthafte Bewerbungen und für Bewerbungen von offensichtlich oder objektiv ungeeigneten Bewerbern.

Sachverhalt

Betriebsrat und Arbeitgeberin stritten über die Unterrichtungs- und Vorlagepflichten bei Einstellungen. Die Arbeitgeberin, ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen, nimmt seit mehreren Jahren ausschließlich Online-Bewerbungen entgegen. Sie betreibt im gesamten Bundesgebiet 390 Filialen. Das Verkaufsgebiet ist in 15 Areas eingeteilt. Für jede Area ist jeweils ein Büro mit einem Recruitment-Center zuständig. Dort werden die Stellenausschreibungen in ein Onlineportal eingegeben und eine Vorauswahl eingehender Bewerbungen getroffen. Diese sichtet dann der Store-Manager und trifft eine Auswahlentscheidung. Er leitet das Verfahren zur Beteiligung nach § 99 BetrVG beim Betriebsrat ein und stellt ihm nur die vom Recruitment-Center weitergeleiteten Bewerbungsunterlagen zur Verfügung. Der Betriebsrat verlangte, dass ihm im Rahmen auch die vom Recruitment-Center "vorab aussortierten" Bewerbungsunterlagen vorgelegt werden.

Entscheidung des BAG

Das BAG gab dem Betriebsrat Recht. Die Pflicht nach § 99 BetrVG erstrecke sich gegenüber dem zuständigen Betriebsrat auch auf solche, eine Filiale betreffende Bewerbungen, die dem Recruitment-Center vorlagen. Das gelte auch, wenn Bewerbungen zuvor aussortiert und nicht an den Store-Manager weitergeleitet wurden. Der Arbeitgeber habe die Unterlagen bezüglich sämtlicher Stellenbewerber - auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten - vorzulegen. Auch wer sich auf eine Stelle bewerbe, deren Anforderungen er nicht erfüllt und damit für die Stelle - ggf. sogar offensichtlich oder objektiv - ungeeignet ist, bringe sein Interesse an dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz zum Ausdruck. Gleiches gelte für etwaige nicht ernsthafte Bewerbungen.

Praxishinweis

Das BAG konterkariert die aus rein praktischer Sicht die mit einem unternehmensinternen Recruitment-Center beabsichtigten Erleichterungen. Die Vorlage- und Auskunftspflichten erstreckt das BAG mit dieser Entscheidung ausdrücklich auch auf denjenigen Bewerber, der sich auf eine Stelle bewirbt, für die er "ggf. offensichtlich oder objektiv" ungeeignet ist sowie auf "nicht ernsthafte Bewerbungen" (z.B. AGG-Hopper). Insbesondere der letzte Punkt dürfte weder im Arbeitgeber- noch im Betriebsratsinteresse liegen.

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