Wettbewerbspolitische Agenda des BMWK bis 2025 – erste Überlegungen zur 11. GWB-Novelle

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 21.02.2022 seine wettbewerbspolitische Agenda für die laufende Legislaturperiode veröffentlicht. 10 Punkte für nachhaltigen Wettbewerb als Grundpfeiler der sozial-ökologischen Marktwirtschaft sollen „die Ordnungspolitik nach Jahrzehnten des Bedeutungsverlustes wieder in den Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Interesses rücken“. Die Lösung der aktuellen Herausforderungen – insb. Digitalisierung, gerechte Globalisierung und Nachhaltigkeit – soll durch einen proaktiven wettbewerblichen Rahmen erfolgen, der von starken und unabhängigen Kartellbehörden durchgesetzt wird.

Was plant das BMWK konkret für das Kartellrecht?

Im Hinblick auf das Kartellrecht wiederholt das BMWK in seiner Agenda wesentliche wettbewerbspolitische Aspekte des am 24.11.2021 vorgelegten Koalitionsvertrages (s. hierzu auch meinen Blogbeitrag vom 30.11.2021), ohne allerdings alle dort genannten Punkte aufzugreifen. Stattdessen kommen einzelne neue Punkte hinzu. Insgesamt sind die mit der Agenda angekündigten Maßnahmen von wenigen Ausnahmen abgesehen noch recht unkonkret.

Von Bedeutung für das Kartellrecht sind die nachfolgenden Punkte der Agenda:

Wie angekündigt, will das BMWK das GWB in dieser Legislaturperiode evaluieren und Vorschläge zu seiner Weiterentwicklung machen. Die besonderen Belange des Mittelstandes, des Verbraucherschutzes sowie Innovation, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sollen hierbei im Mittelpunkt stehen. Im Einzelnen beabsichtigt das BMWK

  • die Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung insb. im digitalen Bereich,
  • die Reform des Ministererlaubnisverfahrens mit Wiedereinführung angemessener Klagemöglichkeiten und Beteiligung des Deutschen Bundestages,
  • die Verlängerung der Missbrauchsaufsicht über Strom- und Gaspreise nach § 29 GWB und deren Ausweitung auf den Fernwärmesektor sowie hiermit einhergehend die Untersuchung möglichen missbräuchlichen Verhaltens insb. im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Energiepreisen (s. hierzu aktuell des Marktmachtbericht zur Stromerzeugung 2021 des Bundeskartellamts vom 17.02.2022 sowie den 9. Policy Brief der Monopolkommission),
  • die Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht durch das BKartA insb. im Lebensmittelhandel,
  • eine mögliche Anpassung der Freistellungsmöglichkeiten vom Kartellverbot für mehr Rechtsicherheit bei der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsinnovationen,
  • die Korrektur struktureller Defizite in der Durchsetzung des Verbraucherschutzes durch Stärkung der Befugnisse des BKartA, dahingehende Rechtsverstöße abzustellen und schließlich
  • die Stärkung des BKartA bei der Kartellrechtsdurchsetzung und im Bereich der Fusionskontrolle durch mehr Personal und Verbesserung der IT-Infrastruktur.

Das BMWK sieht sich zudem weiterhin als Impulsgeber bei der EU-Wettbewerbspolitik und beabsichtigt

  • sich für ein hohes Ambitionsniveau bei den derzeitigen Verhandlungen über den EU Digital Markets Act (DMA) einzusetzen, insb. bzgl. hoher Interoperabilität und Portabilität von Daten, offenem Zugang zu Daten und der Wahrung starken Datenschutzes,
  • eine effektive Durchsetzung des DMA durch Verankerung von Befugnissen der nationalen Kartellbehörden zur Unterstützung der Kommission,
  • eine Initiative für eine strenge Kontrolle marktstarker Unternehmen im Falle des Aufkaufs potenzieller Wettbewerber (sog. killer acquisitions),
  • die Stärkung der Kartellverfolgung durch eine Initiative zum besseren Schutz von Kronzeugen und zur Reform der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie sowie
  • sich zumindest langfristig für eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit auf europäischer Ebene als Ultima Ratio auf verfestigten Märkten einzusetzen.

Fazit

Das BMWK konkretisiert in seiner wettbewerbspolitischen Agenda, welche der zahlreichen im Koalitionsvertrag niedergelegten Vorhaben in dieser Legislaturperiode angegangen und umgesetzt werden sollen. Von einzelnen klar definierten Maßnahmen abgesehen (Verlängerung des § 29 GWB, Wiedereinführung der Klagemöglichkeiten im Ministererlaubnisverfahren), bleiben die weiteren Vorhaben nach wie vor recht unkonkret. Es bleibt spannend - wir halten Sie informiert.