Aber der andere war doch zuständig – Haftungsfalle Ressortaufteilung

Die Ressortaufteilung führt nicht per se zu einem Haftungsausschluss, wenn etwas in einem anderen Bereich außerhalb der eigenen Zuständigkeit schiefläuft.

Aber diesem Irrglauben unterliegen noch immer viele Organe. Denn häufig verteidigen sich Geschäftsführer im Zusammenhang mit Haftungsprozessen wegen einer Insolvenzverschleppung mit der Aussage, dass sie für die „Zahlen“ nicht zuständig waren. Eine Haftung komme dann doch gar nicht in Betracht.

Aber ist es so einfach? Nein! Aber was gilt es dann zu beachten?

I. Ressortaufteilung

Mit der sog. Ressortaufteilung, also der Aufteilung von Zuständigkeiten, ist häufig neben der Aufgabenverteilung auch der Wunsch nach einer Enthaftung verbunden. Denn – so der Gedanke – wenn eine Aufgabe nicht in den eigenen Zuständigkeitsbereich fällt, besteht auch keine Haftung, wenn eine Pflicht verletzt wird. Aber so einfach ist es nicht.

Eine Aufteilung der Zuständigkeiten kommt natürlich nur in Betracht, wenn es mehr als einen Geschäftsführer [1] gibt. In vielen GmbH ist dies aufgrund der Vielfalt der Themen aber häufig der Fall. Vielfach gibt es einen operativen Geschäftsführer („CEO“) und einen kaufmännischen Geschäftsführer („CFO“). Letzterer verantwortet die buchhalterischen Themen und ist damit „für die Zahlen“ zuständig.

1. Wirkung der Ressortaufteilung

Grundsätzlich ist der Geschäftsführer kraft seiner Amtsstellung für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig. Und das, egal wie groß die Gesellschaft ist und wie viele Geschäftsführer es gibt. Denn mit dem Amt als Geschäftsführer ist nicht die Besorgung ausgewählter Geschäfte verbunden, sondern die Leitung der Geschäfte im Ganzen.

Aber: Dieser Leitungspflicht kann die Geschäftsführung auf unterschiedliche Weise nachkommen. Und eine Möglichkeit ist, dass der Geschäftsführer an einer Regelung mitwirkt, die jedem der Geschäftsführer einen bestimmten Arbeitsbereich zuweist. Und daraus kann dann nach der Rechtsprechung auch eine Beschränkung der Haftung (strafrechtlich und zivilrechtlich) resultieren (jüngst BGH, Urteil vom 09.11.2023 – III ZR 105/22).

2. Anforderungen an die Ressortaufteilung

Und wie macht man das genau? Diese Aufgabenzuweisung muss bestimmten Kriterien entsprechen:

1.       Klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben (wer macht was?)

2.       Einvernehmen aller Organmitglieder

3.       Fachliche und persönliche Eignung der Personen für das jeweils zugeteilte Ressort

Werden diese Vorgaben eingehalten, wird die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer sodann primär auf den eigenen Tätigkeitsbereich beschränkt. Hinsichtlich der anderen Ressorts verbleibt „nur“ eine Überwachungspflicht.

Da der Geschäftsführer die Ressortzuständigkeit zur eigenen Enthaftung nachweisen muss, ist dringend anzuraten, die Absprache schriftlich zu dokumentieren.

II. Enthaftung?

Und haftet der „operative“ Geschäftsführer dann bei einer Insolvenzverschleppung per se nicht? Denn er war ja für „die Zahlen“ nicht zuständig.

Grundsätzlich dürfen die Geschäftsführer darauf vertrauen, dass die anderen ihren Job richtig machen. Das setzt natürlich voraus, dass sie jemanden ausgewählt haben, der geeignet ist (siehe oben).

Aber: Die Augen darf man vor den Ressorts der anderen nicht verschließen. Teil der Ressortaufteilung ist auch, sich gegenseitig über Tätigkeiten und Ressorts zu berichten zu lassen. Dabei müssen die Geschäftsführer aufmerksam sein und die Angaben einer Plausibilitätskontrolle unterziehen.

Sie müssen aktiv werden, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, dass der andere Geschäftsführer seinen Pflichten nicht nachkommt. Bei Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort muss diesen unverzüglich nachgegangen werden. Die reine Überwachungspflicht wandelt sich dabei zu einer Interventions- und Eingriffspflicht.

Auf den Insolvenzfall bezogen sollten also die anderen Geschäftsführer spätestens hellhörig werden, wenn eine Krise eintritt und die laufende Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht mehr gesichert ist. Ab einem gewissen Grad werden dies auch die „operativen“ Geschäftsführer im täglichen Geschäft spüren. Ggf. werden aber auch die sonst immer pünktlich gelieferten Zahlen nicht mehr geschickt. Es gibt mannigfaltige Anhaltspunkte.

Daher sollte im Zweifelsfalle die Tätigkeit des anderen Geschäftsführers kontrolliert und kritisch hinterfragt werden. Denn eine Verteidigung mit „dafür war ich nicht zuständig“ oder „das konnte ich nicht“ lässt die Rechtsprechung nicht gelten.

 


[1]  Aus sprachlichen Gründen wird ausgehend von der gesetzlichen Formulierung nur die männliche Form verwandt.

Autorin

  • Gesellschaftsrecht
  • Handels- und Vertragsrecht
  • Insolvenzrecht
  • Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Prozessführung und Schiedsverfahren