„Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man für Hyperlinks haftet, wenn man sich nicht von diesen distanziert. Hiermit distanziere ich mich ausdrücklich von allen verlinkten Seiten." – solche oder ähnliche Texte finden sich bis heute auf tausenden von Webseiten. Wie bei so vielen Internet-Mythen gilt auch hier: Je unsinniger, desto hartnäckiger.
Je unsinniger, desto hartnäckiger
Denn tatsächlich hat das LG Hamburg nichts dergleichen entschieden. Das Urteil gibt es zwar (abrufbar hier). Es bezog sich aber auf einen konkreten Fall, in dem ein Betreiber eine Webseite aufgebaut hatte, die gezielt der Schmähung eines Dritten diente, mit dem er sich in einem Rechtsstreit befand. Dies war „gewürzt“ durch zahlreiche Links auf andere Webseiten, auf denen beleidigende Inhalte über den Opponenten enthalten waren.
Das Landgericht verurteilte den Seitenbetreiber antragsgemäß mit der Begründung, dieser habe sich die auf den verlinkten Seiten befindlichen Beleidigungen zueigen gemacht. Und dies, obwohl die fragliche Seite just einen allgemeinen Disclaimer nach obigem Muster enthielt. Seitdem sollte klar sein: Wer es darauf anlegt, durch gezielt verlinkte Seiten rechtswidrige Inhalte zu propagieren, kann sich mit einem mehr oder weniger gelenk formulierten Disclaimer nicht der wohlverdienten Strafe (sprich: Haftung) entziehen.
Der Mythos flammt auf
An sich sollte dies selbstverständlich sein, und in der Tat ist auf die Unsinnigkeit solcher Disclaimer bereits hinlänglichhingewiesenworden. Hie und da flammt der „Mythos LG Hamburg“ jedoch noch auf: So hatte der Bundesgerichtshof jüngst folgenden Sachverhalt zu beurteilen:
Der Beklagte ist Facharzt für Orthopädie. Mitte 2012 warb er auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Implantat-Akupunktur” für eine Behandlung, bei der dem Patienten im Bereich der Ohrmuschel winzige Nadeln subkutan implantiert werden. Am Ende des Texts befand sich für „weitere Informationen auch über die Studienlage” ein elektronischer Verweis (Link) zu einer Startseite, dem Internetauftritt des Forschungsverbands Implantat-Akupunktur e.V.
Auf den über diese Startseite erreichbaren Unterseiten waren Aussagen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung der Implantat-Akupunktur abrufbar, die der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., für irreführend hält.
Das Urteil des BGH
Der Bundesgerichtshof hielt fest (Urt. v. 18.06.2015, Az. I ZR 74/14):
- Mit dem bloße Setzen von Links macht man sich den fremden Inhalt auch dann nicht automatisch zu eigen, wenn man diesen in geschäftlichem Kontext setzt.
- Dabei war im konkreten Fall allerdings bedeutsam, dass es sich nur um den Link auf die Startseite des Forschungsverbandes und nicht etwa auf eine Werbung für konkrete Akupunktur-Leistungen handelte (die auf der Seite des Forschungsverbandes erst nach eigenständigem Navigieren zu finden war).
- Ebenso darf der elektronische Verweis nicht etwa Bestandteil des Geschäftsmodells des Anbieters sein (wie etwa bei den Links, die von dem Betreiber eines Altersverifikationssystems auf die Seiten der ihm angeschlossenen Anbieter vorgehalten werden).
- Wenn es sich danach nicht um „zu eigen gemachte“ Inhalte handelt, haftet man für verlinkte Inhalte allerdings auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit offensichtlich ist.
- Bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Webseite ist der Seitenbetreiber zur Prüfung und ggf. Löschung des Links verpflichtet.
Fazit
Ein Disclaimer ist weder erforderlich noch nützlich, um eine Haftung für Links zu vermeiden. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Setzen von Links gänzlich risikofrei wäre, wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofes verdeutlicht.
P.S.: Den „Weltrekord“ für den längsten Disclaimer hält – soweit ersichtlich – aktuell das Haus UBS Warburg.