„Ist denn schon wieder Ostern?“ ließe sich angesichts der augenscheinlichen energiepolitischen Verbindung zum erst kürzlich verabschiedeten „Osterpaket“ des Kabinetts fragen. Dieses wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz noch als größte energiepolitische Novelle seit Jahrzehnten bezeichnet (meine Kollegin Corinna Löcher berichtete). Doch das nun beschlossene „Sommerpaket“ trägt nicht nur einen anderen Namen, sondern hat auch inhaltlich einen anderen Schwerpunkt. Kernanliegen des am 15.06.2022 beschlossenen Gesetzesentwurfes ist die Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie an Land. Dazu werden nicht nur Reformen des Bundesnaturschutzgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgeschlagen, sondern im Rahmen des Wind-an-Land-Gesetzes auch ein völlig neues Gesetz, das Windflächenbedarfsgesetz, geschaffen.
Der nachfolgende Beitrag konzentriert sich auf das neue Windflächenbedarfsgesetz, kurz WindBG, und zeigt die damit einhergehenden Neuerungen für den Bau von Windkraftanlagen an Land auf.
Was ist der Hintergrund dieser Gesetzesinitiative?
Die Windenergie soll künftig eine noch gewichtigere Rolle für den deutschen Energiemix spielen. So soll allein die installierte Leistung von Windenergieanlagen an Land bis zum Jahr 2030 gemäß § 4 Nr. 1 e) Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021, kurz EEG, auf 71 Gigawatt erhöht werden. Der Ausbau der Windkraftanlagen stagniert jedoch weitestgehend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nicht zuletzt stellen Abstandsregelungen in verschiedenen Bundesländern ein Hemmnis für den zügigen Ausbau dar. Insbesondere diesen Aspekt greift das WindBG in seiner jetzigen Form auf und erhöht den Druck auf die Bundesländer, schneller zu handeln.
Was sind die 3 Kernpunkte des WindBG?
Um die eben genannten EEG-Ziele zu erreichen, sollen spätestens 2032 zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windkraftanlagen verfügbar sein. Der Umsetzung dieses konkreten Ziels hat sich das WindBG durch folgende Regelungen verschrieben:
1. Festlegung verbindlicher Flächenziele
Das WindBG gibt jedem Bundesland verbindliche, mengenmäßige Flächenziele (sog. Flächenbeitragswerte) für die Ausweisung von Windenergiegebieten vor. Die konkreten Werte, die die einzelnen Bundesländer bis zum 1. Januar 2027 und bis zum 1. Januar 2033 erreichen müssen, sind einer entsprechenden Tabelle zu entnehmen. Beispielsweise muss Nordrhein-Westfalen im Jahr 2026 einen Anteil von 1,1% und im Jahr 2032 einen Anteil von 1,8% seiner Landesfläche als Windenergiegebiet ausgewiesen haben. Dies entspricht einer Landesfläche von 34.112,44 km2.
2. Aufbrechen der geltenden Mindestabstandsregelungen
Seine volle Kraft entfaltet die oben dargestellte Stichtagsregelung aber erst im Zusammenhang mit einer Änderung des Baugesetzbuches, kurz BauGB. Die „Sonderregelungen zur Windenergie“ in § 249 BauGB sollen um einen Absatz ergänzt werden, wonach Mindestabstandsregelungen bei der Verfehlung der festgelegten Flächenbeitragswerte zu den jeweiligen Stichtagen nicht mehr anwendbar sind.
Damit besteht also ein hinreichender Anreiz für die Länder, rechtzeitig Windenergiegebiete auszuweisen, um den vollständigen Wegfall der geltenden Abstandsregelungen zu verhindern.
3. Schaffung von „Go-to“-Gebieten
Sind Windenergiegebiete ausgewiesen, gelten sie per Gesetz als besonders geeignet für die Erzeugung von Strom aus Windenergie an Land. Ferner wird für die Errichtung und den Betrieb dieser Windkraftanlagen angenommen, dass sie nicht gegen das bundesnaturschutzrechtliche Tötungs- und Störungsverbot verstoßen, was gewissen planungsrechtliche Erleichterungen bewirkt.
Geht der Ausbau der Windkraft nun sofort schneller?
Das Gesetzespaket beginnt nun zunächst seinen Weg durch das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren. Es bleibt abzuwarten, welchen Anpassungen der Entwurf in dieser Zeit unterliegt. Allerdings bedarf das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates, was den Prozess ungemein beschleunigen und den zu erwartenden Widerstand der Länder abdämpfen könnte. Die Ankündigung, dass das Vorhaben noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll, darf dennoch als ambitioniert bezeichnet werden.