Sippenhaft bei arglistiger Täuschung

Man kennt den Spruch: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Nach der Entscheidung des BGH vom 08.04.2016 (V ZR 150/15) muss man nunmehr sagen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und anderen auch nicht.

Seit der Schuldrechtsreform aus 2002 war es umstritten, ob bei einer Mehrheit von Verkäufern eine Haftungsbeschränkung zugunsten der Verkäufer komplett – also für alle – entfällt, wenn nur einer von ihnen den Käufer (bspw. durch Verschweigen von versteckten Mängeln) arglistig über die angebliche Mangelfreiheit der Sache täuscht. Nunmehr hat der BGH klargestellt, dass die vertragliche Haftungsbeschränkung für alle Verkäufer entfällt, auch wenn nur einer der Verkäufer eine arglistige Täuschung begeht.

Schuldrechtsreform

Gem. § 444 BGB kann sich ein Verkäufer auf eine Regelung über einen Haftungsausschluss nicht berufen, wenn er einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Was aber ist, wenn mehrere gemeinsam eine Sache verkaufen, aber nur einer Kenntnis von einem Mangel hat und diesen dem Käufer gegenüber verschweigt? Das war seit der Schuldrechtsreform 2002 umstritten. Nach altem Recht wäre die Haftungsbeschränkungsvereinbarung insgesamt unwirksam. Wegen des geänderten Wortlauts des § 444 BGB war von Teilen der Literatur und auch von vielen Gerichten (zuletzt vom OLG Saarbrücken durch Urteil vom 17.06.2015) angenommen worden, dass auch nur derjenige, der die Täuschung (oder durch einen Vertreter) begangen hat, sich nicht mehr auf den Haftungsausschluss berufen kann, die anderen Verkäufer aber doch.

Trau, schau, wem – Verkäufer untereinander

Im vorliegenden Fall waren Verkäufer ein sich im Scheidungskrieg befindliches Ehepaar. Diese sprachen naturgemäß wenig miteinander und der Ehemann wusste von einem erheblichen Baumangel, da er diesen in Eigenleistung selbst verursacht hatte. Er hatte schlicht eine Stützmauer nicht den statischen Berechnungen entsprechend, sondern viel schwächer und kleiner ausgeführt. Ihm war also klar, dass hier ein erheblicher Baumangel vorlag. Das hatte er dem Käufer aber nicht mitgeteilt. Der Käufer nahm nach Einsturz der Mauer die mittlerweile geschiedenen Eheleute gerichtlich in Anspruch. Vom OLG Saarbrücken wurde der Klage aber nur gegen den täuschenden Ehemann selbst stattgegeben. Dieser war aber zwischenzeitlich vermögenslos und damit war für den Käufer nur noch der Anspruch gegen die nicht täuschende und noch vermögende Ehefrau von Interesse.

Klarstellung durch den BGH

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte die Klage gegen die Ehefrau zurückgewiesen und zwar mit dem Argument, diese selbst hätte ja keine Täuschung begangen, daher sei ihr die Berufung auf die in dem notariellen Grundstückkaufvertrag vorgesehene Haftungsbeschränkung weiterhin möglich. Das sieht der BGH anders: Zwar könne man den Wortlaut von § 444 BGB tatsächlich dahingehend verstehen, dass nur auf den jeweilig Täuschenden abzustellen sei, das wäre aber mit dem Gesamtziel der Schuldrechtsreform, Verbesserung der Käuferrechte, nicht in Übereinstimmung zu bringen, sodass insoweit auch nach neuem Schuldrecht die arglistige Täuschung nur eines Verkäufers dazu führe, dass sich alle Verkäufer nicht mehr auf eine Haftungsbeschränkung berufen können.

Fazit

Mit der Entscheidung des BGH werden die Käuferrechte weiter gestärkt und das ohnehin sehr käuferfreundliche Kaufrecht in diese Richtung weiter entwickelt. Umgekehrt bedeutet die Entscheidung für Verkäufer, dass sie sich nicht nur auf ihr eigenes Gewissen verlassen dürfen, vielmehr wird mit der Entscheidung eine Sippenhaft bei Arglistfällen festgeschrieben.

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