Unternehmensinterne eigene Untersuchungen werden häufiger. Die Anlässe sind typischerweise unerfreulich: Betriebsunfälle oder Verdachtsmomente, die strafbares Handeln durch Mitarbeiter befürchten lassen. In solchen Situationen können Leitungskräfte rechtlich verpflichtet sein, für Klarheit zu sorgen, aber ganz unabhängig davon sprechen häufig auch andere Gründe dafür, sich einen Vorgang genau anzusehen. Bei Betriebsunfällen geht es regelmäßig darum, Wiederholungen zu vermeiden und das Sicherheitsniveau zu steigern, und kriminelle Aktivitäten möchte niemand unter dem eigenen Dach dulden – sie können verheerende Auswirkungen auf die Moral haben.
Eigene Untersuchungen lassen sich wesentlich besser steuern als externe, von Behörden durchgeführte, und das ist insbesondere dann ein Gewinn, wenn gar nicht feststeht, ob „etwas passiert“ ist, ob sich das Unternehmen oder einzelne Personen etwas vorzuwerfen haben oder nicht. Dann kann sich nämlich eine öffentliche Vorverurteilung als fatal erweisen, die manchmal bei Bekanntwerden behördlicher Nachforschungen droht. Bei techniklastigen Sachverhalten kommt hinzu, dass ein Unternehmen die eigene Expertise und die Kenntnis der eigenen Anlagen besser ins Spiel bringen kann, wenn es eine Untersuchung selbst führt. Das hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Dabei ist klar, dass Fakten nicht verheimlicht werden können. Das schadet der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen in die Redlichkeit der Unternehmensführung.
Oft fehlt internen Untersuchungsteams allerdings spezifisch juristisches Fachwissen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass dies beispielsweise bei der Bewertung von Beweismitteln zu Schwierigkeiten führt. Problematisch sind dabei vor allem „Vernehmungen“ von Zeugen, aus denen schlimmstenfalls falsche Schlüsse gezogen werden. Bei Befragungen kann man Dinge falsch machen, nicht zufällig sind Vernehmungslehre und Beweiswürdigung eigene Unterrichtsgegenstände in der juristischen Ausbildung. Immer wieder fällt auch auf, dass in bester Absicht Formulierungen in Berichten landen, die rechtlich relevante Fehler nahelegen, ohne dass dafür tatsächlich hinreichende Gründe bestehen. Das kann zum Beispiel passieren, wenn unerwünschte Ergebnisse sprachlich in einen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Verhalten einzelner Personen gestellt wird.
Diese spezifischen Probleme sollten bei der Arbeit interner Untersuchungsteams und beim Verfassen interner Unfallberichte bedacht werden. Selbstverständlich darf dies nicht zu Verschleierungen oder gar Unwahrheiten führen. Es ist aber legitim, offene Fragen als solche zu kennzeichnen und Bewertungen nur vorsichtig anzustellen, anstatt eine scheinbare Gewissheit auszudrücken: Auch wenn Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden typischerweise keine voreiligen Schlüsse ziehen, kann die Korrektur eines unzutreffenden ersten Eindrucks erheblichen Aufwand erfordern. Und in vielen Fällen kann es sogar das angemessene Ergebnis einer Untersuchung sein, einen Sachverhalt nicht restlos aufklären zu können. Das muss ja nicht etwa bedeuten, für die Zukunft nichts zu ändern. Denn zusätzliche Schutzmaßnahmen können auch dann begründet sein, wenn für die Vergangenheit ein Fehler nicht zwingend nachgewiesen ist.
Ebenso wichtig ist das rechtliche Wissen darum, dass prinzipiell alle Erkenntnisse interner Untersuchungen, gesammelte Dokumente, produzierte Berichte und angefertigte Notizen für Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden zugänglich sind. Außerdem können die an internen Untersuchungen beteiligten Personen durch Behörden befragt werden und müssen dann wahrheitsgemäß Auskunft über ihre Erkenntnisse geben. Die an internen Untersuchungen beteiligten Personen haben auch grundsätzlich kein Recht auf Zeugnisverweigerung. Selbst wenn sie den von ihnen vernommenen Personen Vertraulichkeit zusichern oder versprechen, Dokumente unter Verschluss zu halten – gegenüber Behörden lässt sich dies nicht durchhalten. Es gibt dafür keine rechtliche Handhabe. Ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht kennt das deutsche Recht nur für bestimmte Berufsgruppen (z.B. medizinisches Personal, Anwälte, Psychotherapeuten oder Priester). Verlässlich geschützt sind mündliche Aussagen also nur, wenn sie gegenüber schweigeberechtigten Personen gemacht werden. Alle anderen internen Ermittler müssen sich im Sinne eines fairen Umgangs mit Beschäftigten bewusst sein, dass eine in bester Absicht gemachte Aussage zu strafrechtlicher Verfolgung und womöglich sogar Verurteilung führen kann. Unter diesem Gesichtspunkt muss also überlegt werden, wer Vernehmungen durchführt.
Diese rechtlichen Rahmenbedingungen sollten schon bei der Einleitung interner Untersuchungen bedacht werden. Selbst wenn die Aufgabenstellung auf den ersten Blick rein verwaltungsmäßig oder technisch ist – wie bei der Sichtung von Unterlagen oder bei Betriebsunfällen – sollte in eine interne Untersuchung immer von Anfang an die Rechtsabteilung eingebunden werden und diese sich umgekehrt intensiv beteiligen. Nur so kann die neben der technischen und ökonomischen Expertise auch der Sachkundige für den Umgang mit Konflikten und Normverstößen an den Tisch gebracht werden.
Unterschätzte Probleme bei Internal Investigations
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