Der DFB hat im Dezember 2015 bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle in Hamburg (ÖRA) sog. Güteanträge (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) eingereicht. Sie sollen Franz Beckenbauer, der das Organisationskomitee der WM 2006 geleitet hat, den damaligen OK-Vizepräsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, dem ehemaligen Generalsekretär des DFB Horst R. Schmidt sowie dem Testamentsvollstrecker des verstorbenen früheren adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus und dem Weltverband FIFA „bekanntgemacht“ werden, wie es das Gesetz formuliert. Da staunt der Fußball-Fan und der Fußball-Fachmann wundert sich.
Was soll das?
Wird durch die Güteanträge jetzt alles wieder gut zwischen den Beteiligten oder ist das Ganze ein Affront gegen Beckenbauer & Co.? Die Antwort lautet: weder noch. Die aktuelle DFB-Spitze hat vielmehr ein Konzept und das richtet sich schlicht nach den rechtlichen Rahmenbedingungen. Mit Blick auf die WM-Affäre könnte man böse formulieren: Willkommen in der Rechtswirklichkeit, Fußball-Deutschland.
Verjährung
Die vom DFB gestellten Güteanträge sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ein Mittel der „Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung“. Verjährung ist also das konkrete Stichwort. Eine solche scheint der DFB mit Blick auf etwaige Ansprüche gegen die Genannten zu befürchten. Dabei geht der DFB wohl davon aus, dass eine Verjährung möglicherweise zum Ende des Jahres 2015 gedroht hätte. Ob das so zutrifft, ist derzeit ebenso unklar, wie die Frage, ob und gegen wen überhaupt Ansprüche bestehen.
DFB handelt konsequent
Dennoch ist das Vorgehen des DFB richtig und konsequent. Aktuell betreibt der DFB mit professioneller Unterstützung die interne Aufklärung des Sachverhalts. Gleichzeitig besteht Kontakt zu den ermittelnden staatlichen Behörden. Das alles kostet Zeit. Am Ende der Ermittlungen drohen dem DFB Steuernachzahlungen und Bußgelder in Millionenhöhe. Auch die eigenen Anwälte müssen bezahlt werden.
Millionen Schaden droht
Und auf diesem Schaden will der DFB letztlich nicht sitzen bleiben. Der Vorstand des DFB ist gesetzlich sogar dazu verpflichtet, alles zu unternehmen, was erforderlich ist, um die damals handelnden Personen in Regress zu nehmen, wenn dies möglich ist. Sollte sich also zeigen, dass dem DFB durch die Zahlung der 6,7 Millionen Euro ein Schaden entsteht und dafür Beckenbauer & Co. haftbar gemacht werden können, muss der DFB-Vorstand auch entsprechend tätig werden. Das aber wäre nicht mehr möglich, wenn etwaige Ansprüche während der Aufklärung verjähren. Und genau das sollen die gestellten Güteanträge verhindern. Was natürlich nur funktionieren wird, wenn etwaige Ansprüche nicht bereits vor Antragstellung verjährt waren.
Güteanträge bringen Zeitgewinn
Dabei handelt es sich in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten um ein übliches Vorgehen. Anders als auch der DFB vordergründig argumentiert, zielen Güteanträge häufig primär nicht wirklich auf die Durchführung eines Güteverfahrens, an dessen Ende eine einvernehmliche Erledigung im Wege eines Vergleichs stehen kann. Tatsächlich dienen derartige Güteanträge oft allein dazu, Zeit zu gewinnen. Denn die Hemmung der Verjährung tritt bereits mit Stellung des Antrags ein. Selbst wenn dann gar kein Verfahren durchgeführt wird – und danach sieht es nach ersten Bekundungen zumindest der Herren Zwanziger und Schmidt auch hier aus – dauert die Hemmung noch sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens an. Rein praktisch gewinnt der DFB also Zeit bis in den Sommer. Möglicherweise steht dann fest, mit welchen (steuer)rechtlichen Sanktionen der DFB rechnen muss. Es dürfte sich bis dahin auch zeigen, wer – nach Bewertung des DFB – die Verantwortung im Innenverhältnis zwischen Verband und den Beteiligten zu tragen hat.
Einvernehmliche Lösung oder Klage
Man wird dann versuchen, Güteverfahren hin oder her, eine einvernehmliche Lösung mit den Beteiligten zu erzielen. Doch die Vorzeichen dafür stehen derzeit schlecht. Das zeigt sich schon daran, dass der DFB die Güteanträge überhaupt gestellt hat. Denn wenn ein konstruktiver Gesprächsfaden zu Beckenbauer & Co. bestünde, hätte man im Hinblick auf das Thema Verjährung sicherlich eine Vereinbarung (sog. Verjährungsverzichtserklärung) abgeschlossen. Das war aber offenbar nicht möglich.
Compliance hält Einzug im Sport
Wird in Verhandlungen keine einvernehmliche Lösung gefunden, bliebe dem DFB nur noch der Klageweg. Gewiss kein schönes Szenario auch für den DFB selbst und alle Fußball-Fans. Aber letztlich vollzieht der Sport hier nur eine Entwicklung nach, die in der (übrigen) Wirtschaft längst Standard ist. Beispielsweise der Fall Siemens lässt grüßen. Compliance ist hier das übergeordnete Stichwort (vgl. dazu auch (Tax) Compliance – Ein zunehmend aktuelles Thema für Stiftungen und Vereine). So gesehen ist der DFB also auf dem richtigen Weg, auch wenn der noch schmerzhaft werden könnte.