Widerrufsjoker? – Nicht bei der Bürgschaft

Lange Zeit war das Wort „Widerrufsjoker“ in aller Munde. Dies als Weg, um sich von einem „teuren“ Darlehen zu trennen und günstig neu zu finanzieren. Die Rechtsprechung hierzu ist mannigfaltig (siehe nur unsere Blogbeiträge vom 02.09.2020, 05.06.2020, 24.04.2020, 12.02.2019, 29.05.2018 und 07.09.2016). Vielfach herrscht in der Öffentlichkeit inzwischen gar der Gedanke, dass es möglich ist, seine Entscheidung immer binnen 14 Tagen rückgängig zu machen. Dem ist mitnichten so.

Dies zeigt eindrücklich eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 22.09.2020 – AZ. XI ZR 219/19 entschieden, dass sich ein Verbraucher bei Abgabe einer Bürgschaft nicht auf ein Widerrufsrecht berufen kann – auch, wenn er die Erklärung außerhalb der Geschäftsräume der Bank abgegeben hat. Der Bundesgerichtshof hat also dem Widerrufsjoker eine Absage erteilt.

Aber was war passiert?

Der geschäftsführende Alleingesellschafter eines Unternehmens hatte eine Höchstbetragsbürgschaft zu Gunsten eines Kreditinstitutes übernommen. Die Erklärung hatte er in Anwesenheit eines Bankmitarbeiters in seinen eigenen Geschäftsräumen unterzeichnet. Es kam wie es kommen musste, das Unternehmen wurde insolvent und der Bürge wurde wenige Monate nach Abgabe seiner Bürgschaftserklärung durch das Kreditinstitut auf Zahlung in Anspruch genommen. Der Bürge widerrief daraufhin seine Bürgschaftserklärung mit der Begründung, dass er zu keiner Zeit über sein Widerrufsrecht informiert worden sei. Daher greife die 14-tägige Widerrufsfrist nicht.

Und wie beurteilte das der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof verwehrte dem Bürgen, sich auf ein Widerrufsrecht zu berufen. Denn für ein Widerrufsrecht sei es erforderlich, dass der Unternehmer aufgrund eines Verbrauchervertrages die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen habe. Im Falle der Bürgschaft sei genau dieses Erfordernis nicht erfüllt.

Denn erforderlich sei eine entgeltliche Leistung des Unternehmers aus dem Verbrauchervertrag, für den das Widerrufsrecht in Anspruch genommen wird. Nicht ausreichend ist demnach, dass sich die Leistung des Unternehmers aus einem separaten Vertrag mit einem Dritten ergibt. Genau dies ist jedoch bei der Bürgschaft der Fall. Denn gegenüber dem Bürgen erbringt der Unternehmer keine entgeltliche Leistung.

Auch das sonst sehr verbraucherfreundliche Europarecht verhilft dem Bürgen hier nicht weiter. Denn der Bundesgerichtshof entschied, dass auch eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht dazu führt, dass das Widerrufsrecht auf Bürgschaftsverträge zu erstrecken ist. Denn insbesondere erfasse der Schutzzweck der Verbraucherrechterichtlinie keine Bürgschaften. Denn diese soll den Verbraucher davor zu schützen, dass er entgeltlich Waren erwirbt oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, die er unter anderen Sachverhaltsgestaltungen nicht erwerben oder nicht in Anspruch nehmen würde. Diese Gefahr seien im Falle der Bürgschaft nicht gegeben, da der Unternehmer gerade keine Leistung erbringe, für die der Bürge ein Entgelt zu zahlen hat.

Daher bleibt nur der deutliche Hinweis, dass Verbraucher sich bei der Abgabe von Bürgschaftserklärungen sehr genau überlegen sollten, ob sie diese Verpflichtung wirklich eingehen wollen. Reut man die Entscheidung, bestehen kaum Möglichkeiten, sich von der Verpflichtung zu befreien.